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Der Eroberer

Der Eroberer

Titel: Der Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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unwirklich abzutun, als diese Leute in Folge ihrer Selbstkasteiung und Hungerstreiks an Erscheinungen und Gesichter in der heißen Wüste gewöhnt waren.

    Für Glogauer bestand kein Zweifel mehr: diese Männer gehörten zu der neurotischen Sekte der Essener, deren Ritual von Waschungen, Taufen und Herabwürdigung der eigenen Person gekoppelt mit fast paranoischem Mystizismus und der darauf resultierenden Geheimsprache ein sicherer Beweis ihrer geistig unausgeglichenen Verfassung war. Dem verkappten Psychiater Glogauer kamen diese Gedanken wie von selbst, aber der Mensch in ihm wurde zwischen den Polen extremen Rationalismus und dem Wunsch, sich dem Mystizismus hinzugeben, zerrissen.
    »Ich muß meditieren«, sagte Johannes und ging zum Ausgang der Höhle. »Und beten. Du bleibst hier, bis mir die Eingebung gekommen ist.«
    Mit großen Schritten entfernte er sich. Glogauer sank auf das nasse Stroh zurück. Die Luft in der Höhle war feucht. Draußen mußte es heiß sein. Glogauer war wie benommen.

    II

    Fünf Jahre in die Vergangenheit hineingerechnet. Fast zweitausend in die Zukunft. Mit Monica in dem heißen, verschwitzten Bett.
    Wieder einmal war der Versuch, sich auf normale Weise zu lieben, fehlgeschlagen und hatte mit leicht pervertierten Abweichungen geendet, die sie besser zu befriedigen schienen. Ihre echte sexuelle Erfüllung sollte noch auf sich warten lassen. Wie gewöhnlich verbaler Beischlaf. Wie gewöhnlich der Orgasmus in Form von argumentativer Wut.
    »Und jetzt wirst du wieder sagen, daß du nicht befriedigt bist.« Sie reichte ihm eine brennende Zigarette. »Laß nur«, sagte er. Eine Weile Schweigen.
    Obwohl er wußte, wie es ausgehen würde, wenn er den Mund nicht hielt, fing er an zu reden.
    »Irgendwo ist das Ironie schlechthin«, sagte er.
    Er wartete auf ihre Antwort, aber sie ließ sich Zeit. »Was?« fragte sie schließlich.
    »Das. Von morgens bis abends versucht man, Sexneurotikern zu helfen, normal zu werden, und nachts benimmt man sich genauso.«
    »Nicht in dem Ausmaß. Du weißt genau, daß es immer auf
den Grad ankommt.«
»Das behauptest du.«
    Er drehte den Kopf und sah in ihr Gesicht. Sie war rothaarig und hager und hatte die ruhige, professionell verführerische Stimme der Spezialistin mit sozialen Ambitionen. Es war eine weiche, einsichtige, verlogene Stimme. Nur gelegentlich, wenn sie besonders engagiert war, kam ihr eigentlicher Charakter durch. Ihre Züge waren nie ausgeglichen. Nicht einmal, wenn sie schlief. Ihr Blick war immer vorsichtig und flüchtig, ihre Bewegungen selten spontan. Jeder Quadratzentimeter ihres Körpers war in konstanter Abwehrstellung. Daher wahrscheinlich ihre Lustlosigkeit, was ganz normale Liebe anbelangte. »Du kannst dich einfach nicht gehenlassen«, sagte er. »Das ist der Grund.«
    »Ach, laß mich doch zufrieden, Karl. Schau in den Spiegel, wenn du ein neurotisches Chaos sehen willst.«
    Sie waren beide Amateur-Psychiater. Sie – wie gesagt – mit sozialen Ambitionen, er lediglich aus eigenem Antrieb heraus. Er hatte zwar ein Jahr Psychologie studiert und davon geträumt, es einmal bis zum Psychiater zu bringen, aber das war vergessen. Heute las er nur noch, was er an Fachliteratur in die Hand bekam, und bediente sich der dazugehörigen Terminologie.
    Sie fanden es beide befriedigend, wenn sie die Dinge beim Namen nennen konnten.
    Er rollte sich auf die andere Seite und griff nach dem Aschenbecher auf dem Nachttisch, wobei er kurz in den Spie gel über der Kommode sah. Er war ein bläßlicher, launischer Jude, der als Buchhändler sein Geld verdiente, den Kopf voller ungelöster Probleme und den Körper voller unbefriedigter Emotionen hatte. Bei diesen Streitgesprächen mit Monica verlor er prinzipiell. Verbal war sie dominant. Diese Art von Spiel kam ihm oft perverser vor als ihre Art, sich zu lieben, wo wenigstens er die männliche Rolle spielte. Im Grunde seines Wesens – das war ihm klar – war er passiv, masochistisch und unentschlossen. Sogar die Wut, die ihn in regelmäßigen Abständen überkam, war impotent. Monica war zehn Jahre älter als er und zehn Jahre verbitterter. Als Individuum war sie viel dynamischer als er, aber in ihrem Beruf war sie dieselbe Null. Ein Mißerfolg nach dem anderen. Aber sie bohrte weiterhin in den Seelen ihrer Mitmenschen herum, wurde von Tag zu Tag zynischer und gab die Hoffnung nicht auf, eines Tages doch noch einmal einen Patienten zu heilen.
    Sie tut zuviel, dachte er. Das ist ihr Fehler. Der

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