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Der Eroberer

Der Eroberer

Titel: Der Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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nicht?«
    Er war also im Südosten von Jerusalem, auf der anderen Seite des Toten Meeres. Es bestand kein Zweifel mehr, daß er sich in der Vergangenheit befand. Und zwar in dem Abschnitt, in dem Tiberius regiert hatte, denn der Mann hatte den Namen sofort erkannt.
    Der andere kam mit einem Hünen von einem Mann zurück. Starke, haarige Arme und eine breite Brust. Er hielt einen großen Stab in der Hand und war in Tierfelle gekleidet. Das schwarze, lockige Haar hing ihm bis auf die Schultern herab, der Bart bis auf die Brust. Er bewegte sich wie ein Tier, und seine stechenden Augen richtete sich auf Glogauer.
    Als er sprach, geschah es mit tiefer Stimme, aber so schnell, daß Glogauer den Worten nicht folgen konnte. Jetzt war es an Glogauer, den Kopf zu schütteln.
    Der große Mann kniete sich neben ihn. »Wer seid Ihr?«
    Glogauer überlegte. Daß man ihn so finden würde, war nicht eingeplant gewesen. Er hatte sich als Wanderer aus Syrien verkleiden wollen, weil er gehofft hatte, dadurch seine Unkenntnis der Sprache vertuschen zu können. Er beschloß, es trotzdem damit zu versuchen. »Ich komme vom Norden«, sagte er. »Nicht aus Ägypten?« fragte der große Mann.
    Er schien es erwartet zu haben. Bitte, dachte Glogauer. Wenn er so will.
    »Ich habe Ägypten schon vor zwei Jahren verlassen«, sagte er.
    Der große Mann kniete sich neben ihn. »Wer seid Ihr?«
    »Der aus dem Morgenland. Das haben wir vermutet. Dein Name ist Jesus, und du bist der Nazarener.«
    »Nein, ich suche Jesus, den Nazarener«, sagte Glogauer.
    »Wie ist dann dein Name?« fragte der große Mann enttäuscht.
    Glogauer konnte seinen Namen nicht nennen. Er hätte in ih
ren Ohren sehr seltsam geklungen. Er nannte den Namen seines
Vaters.
»Emanuel«, sagte er.
Der große Mann nickte. »Emanuel.«
    Zu spät merkte Glogauer, daß die Wahl des Namens unglücklich gewesen war, denn Emanuel bedeutet im Hebräischen so viel wie Gott mit uns und hatte zweifellos mystische Bedeutung für den großen Mann. »Und wie ist dein Name?« fragte Glogauer.
    Der große Mann richtete sich auf und sah mit finsterem Gesicht auf Glogauer herunter. »Du kennst mich nicht? Du kennst Johannes den Täufer nicht?«
    Glogauer versuchte, sein Erstaunen zu verbergen, aber der große Mann hatte schon bemerkt, daß sein Name Glogauer bekannt war. Er nickte.
    »Du kennst mich also«, sagte er, »und ich muß meine Entscheidung treffen.«
    »Was für eine Entscheidung?« fragte Glogauer nervös.
    »Ob du der Freund der Weissagung bist oder der falsche, vor dem wir von Adonias gewarnt worden sind. Die Römer würden mich an meine Feinde ausliefern, an die Kinder des Herodes.« »Warum?«
    »Du weißt, warum, denn ich verfluche die Römer, die Judäa
    versklaven, ich verfluche die ungesetzlichen Methoden eines Herodes und sage euch, die Zeit wird kommen, wo alle zerstört werden, die Unrechtes tun, und wo das Reich des Adonias wiederkehrt, wie die Propheten es uns verkündet haben. Ich sage euch: bereitet euch vor auf den Tag, wo wir das Schwert nehmen und Adonias’ Willen tun. Diejenigen, die verworfen sind, wissen, daß sie an dem Tag verschwinden werden, und deshalb würden sie mich richten.«
    Trotz der Leidenschaft seiner Worte war der Ton des großen Mannes sachlich. Auf seinem Gesicht kein Anflug von Wahnsinn oder Fanatismus. Er klang fast wie ein anglikanischer Vikar, der eine Predigt las, deren Sinn für ihn verlorengegangen war.
    Dieser Mann wollte also das Volk aufwiegeln und die Römer und diese Marionette von einem Herodes aus dem Land vertreiben, wenn Glogauer richtig verstanden hatte. Sich auf den Willen Adonias’ und die Weissagung der Propheten zu berufen, schien nach Meinung vieler Gelehrter des 20. Jahrhunderts bloß ein Mittel gewesen zu sein, um dem Vorhaben mehr Gewicht zu verleihen. In einer Welt, in der Politik und Religion unzertrennbar aneinandergebunden waren, war es nötig, derartigen Plänen übernatürlichen Ursprung anzudichten.
    Vielleicht glaubt dieser Johannes allen Ernstes, daß ihm die Idee von Gott eingegeben ist, dachte Glogauer. Schließlich waren sich die Griechen, auf der anderen Seite des Mittelmeers, auch noch nicht einig, ob die Inspiration im Kopf des Menschen entsteht oder von den Göttern hineingepflanzt wird. Daß Johannes ihn für einen Weisen aus dem Morgenland hielt, erstaunte Glogauer nicht weiter. Die äußeren Umstände seiner Ankunft waren einerseits zwar wunderlich, aber andererseits insofern nicht abzulehnen oder als

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