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Der Eroberer

Der Eroberer

Titel: Der Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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gegessen, viele hielten aber gerade Heuschrecken für eine Delikatesse.
    Es gab nur zwei Räume in der Hütte des Täufers. In dem einen wurde gegessen, der andere war zum Schlafen da. Der wilde Honig und die Heuschrecken waren zu süß für Glogauers Geschmack, aber beides war eine willkommene Abwechslung von Gerste und Ziegenfleisch.
    Sie saßen sich mit gekreuzten Beinen gegenüber, und Johannes aß mit Genuß. Die Nacht war hereingebrochen. Draußen das Murmeln und Stöhnen und die Schreie der Betenden. Glogauer tauchte noch eine Heuschrecke in die Schüssel mit Honig, die zwischen ihnen stand. »Willst du das Volk von Judäa gegen die Römer führen?« fragte er.
    Dem Täufer war die direkte Frage peinlich. Bisher hatte Glogauer nicht so mit ihm geredet.
    »Wenn es Adonias’ Wille ist«, antwortete er, wobei er nicht von der Honigschüssel aufsah.
    »Wissen es die Römer?«
    »Keine Ahnung, Emanuel, aber Herodes, der Blutschänder, hat ihnen bestimmt gesagt, daß ich diejenigen verfluche, die Unrecht tun.«
    »Und trotzdem verhaften dich die Römer nicht?«
    »Pilatus wagt es nicht – nicht mehr, seit die Bittschrift an den
Kaiser Tiberius geschickt wurde.«
»Welche Bittschrift?«
    »Diejenige, die von Herodes und den Pharisäern aufgestellt und unterschrieben wurde, als Pilatus, der Statthalter, Votivtafeln im Palast von Jerusalem aufgestellt und versucht hat, den Tempel zu schänden. Tiberius hat den Statthalter zurechtgewiesen, und seitdem behandelt Pilatus die Juden besser, obwohl er uns immer noch haßt.«
    »Sag mir, Johannes, weißt du, wie lange Tiberius schon re
giert?« Glogauer hatte bisher noch nicht die Gelegenheit ge
habt, die Frage zu stellen.
»Vierzehn Jahre.«
    Demnach war es 28 A.D. – also noch ein knappes Jahr bis zur Kreuzigung, und seine Zeitmaschine war auseinandergebrochen.
    Johannes der Täufer plante einen bewaffneten Aufstand gegen die Römer, sollte aber, wenn man dem Evangelium glauben schenken konnte, bald von Herodes enthauptet werden. Eine großangelegte Rebellion hatte damals bestimmt nicht stattgefunden. Selbst diejenigen, die behaupteten, daß der Einzug Jesu und seiner Jünger in Jerusalem und die Vertreibung der Händler aus dem Tempel lediglich die Aktion bewaffneter Rebellen war, hatte keinerlei Anhaltspunkte gefunden, daß Johannes einen ähnlichen Aufstand angeführt hatte. Glogauer fand den Täufer mittlerweile sehr sympathisch. Der Mann war durch und durch Revolutionär, plante seinen Aufstand gegen die Römer seit Jahren und hatte inzwischen genug Gleichgesinnte um sich geschart, um auf Erfolg rechnen zu können. Er erinnerte Glogauer lebhaft an die Widerstandskämpfe des Zweiten Weltkriegs. Er strahlte eine ähnliche Härte und Zähigkeit aus und schien seine Position richtig einzuschätzen. Er wußte, daß er nur dann eine Chance hatte, wenn er die Garnisonen, die das Land besetzt hielten, total zerstörte. Wenn sich die Revolte hinzog, war alles verloren, denn dann hatten die Römer genug Zeit, neue Truppen nach Jerusalem zu schikken.
    »Wann, glaubst du, wird Adonias durch deine Hand die Besatzung zerstören?« fragte Glogauer taktvoll.
    Johannes sah ihn leicht belustigt an und lächelte. »An Passah
sind die Leute unruhig und ertragen die Fremden noch schlech
ter als sonst.«
»Und wann ist wieder Passah?«
»Erst in vielen Monaten.«
»Wie kann ich dir helfen?«
»Aber du bist doch der Prophet.«
»Ich kann aber keine Wunder vollbringen.«
    Johannes wischte sich den Honig aus dem Bart. »Das kann ich nicht glauben, Emanuel«, sagte er. »Deine Ankunft bei uns war ein Wunder. Die Essener haben nicht gewußt, ob sie es mit dem Teufel oder einem Botschafter Adonias’ zu tun haben.« »Ich bin keiner von beiden.«
    »Warum willst du mich verwirren, Emanuel? Ich weiß, daß dich Adonias geschickt hat. Du bist das Zeichen, auf das die Essener gewartet haben. Die Zeit ist fast reif. Das Königreich des Himmels wird bald auf die Erde zurückkehren. Komm mit. Sage den Menschen, daß du mit Adonias’ Stimme sprichst. Vollbringe allmächtige Wunder.«
    »Weil deine Macht abflaut? Soll ich deshalb Wunder vollbringen?« Glogauer sah Johannes scharf an. »Brauchst du mich, um deinen Rebellen wieder neuen Mut und neue Hoffnung zu geben?« »Du sprichst mit der Plumpheit eines Römers.«
    Johannes sprang wütend auf. Wie die Essener, mit denen er lebte, schien er direkt Ausgesprochenes zu hassen, was allerdings seinen praktischen Grund hatte, wie Glogauer sofort erfaßte.

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