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Der Eroberer

Der Eroberer

Titel: Der Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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ungewöhnlich schlimme Migräne zu Kopf gestiegen sei.
    »Körperlich ist alles in Ordnung, Doktor Schmeling«, antwortete sie. »Aber sicherlich wird der seelische Schmerz bald eine Migräne auslösen.«
    Meine Patienten kommen oft mit ihrem Alltagskummer zu mir und erwarten, daß ich ihnen helfe. Normalerweise reicht es, wenn ich ihnen zuhöre und das eine oder andere tröstende Wort spreche. Also bereitete ich mich auf eine Wehklage vor und nahm mir im stillen vor, die Konsultation gesondert in Rechnung zu stellen.
    »Beruhigen Sie sich erst einmal«, sagte ich mit freundlicher Brummstimme, die sogleich den Eindruck professioneller Integrität und menschlicher Wärme vermittelt. »Sie erzählen mir von Ihrem Problem, und dann wollen wir einmal sehen, wie dem beizukommen ist.«
    Sie rang sich ein dankbares Lächeln ab und reagierte erwartungsgemäß auf meine emotionale Hilfestellung.
    »Es geht um meinen Neffen, Doktor. Er steckt in Schwierig
keiten.«
»Ist er krank?«
    Mit männlichen Patienten habe ich nur ungern zu tun. Ihnen gelingt es eher, hinter die Fassade zu blicken, die ich aufbauen muß, um mir private Forschungen leisten zu können. Weil ich Mrs. Thornton, meiner lukrativsten Patientin, keinen Gefallen abschlagen konnte, bereitete ich mich aufs Schlimmste vor. »Physisch wohl nicht.« Mrs. Thornton klimperte allerliebst mit den Wimpern und sah mich vertrauensvoll an.
    »Also psychisch«, riet ich mit dem rechten Maß an Einfüh
lung.
Sie nickte stumm.
    »Aber meine liebe Mrs. Thornton, ich bin kein Psychologe; das müssen Sie verstehen. Ich bin praktischer Arzt … « Das entsprach natürlich nicht ganz der Wahrheit, denn meine Arbeit besteht in der Hauptsache darin, die seelischen Macken meiner Patienten zu verarzten.
    »Ich weiß, ich weiß«, antwortete sie eifrig, »aber Sie sind, was mich betrifft, immer so verständnisvoll , Herr Doktor. Ihnen ist sofort aufgefallen, daß meine Migräne von geistiger , emotionaler und nervlicher Anspannung herrührt. Also habe ich gedacht …«
    Ich verkniff mir das Lachen. Die meisten Migränepatienten
    glauben, ihr Leid sei seelisch bedingt. Dabei kann ebensogut mangelnde Bewegung oder falsche Ernährung die Ursache sein.
    Dessenungeachtet nickte ich streng und gütig. »Wie wahr, wie wahr«, murmelte ich geheimnistuerisch und tat es so den Psychiatern gleich, deren Erfolgsmasche wohl nur mit den erweiterten Begriffen der Freudschen Theorie zu erklären ist. Es besteht kein Zweifel: Die Psychiater bilden den modernen Priesterstand.
    »Dann versuchen Sie bitte, meinem Neffen zu helfen, Herr Doktor. Tun Sie es mir zuliebe. Und ich flehe Sie an, bewahren Sie Stillschweigen in dieser Angelegenheit. Ein öffentlicher Skandal wäre …«
    »Natürlich«, antwortete ich verschwörerisch. »Wenn ich ihm nicht helfen kann, werde ich einen äußerst diskreten Freund darum bitten. Er ist ein Spezialist für geistige Gebrechen; ein wundervoller Mann, das versichere ich Ihnen. Seine fachlichen und menschlichen Qualitäten sind über jeden Zweifel erhaben.«
    Aber sie wollte keinen anderen. Ich machte mich auf alles gefaßt. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, daß die meisten Leute ganz unbewußt bestimmte Ausdrucks- und Emotionsregister ziehen, um mitleidsvoll, empört oder tief betrübt zu erscheinen, obwohl sie – uneingestandenermaßen – im Innersten etwas völlig anderes empfinden? Gesten, nichts als Gesten. Sie tragen eine Mitschuld an der Sinnleere modernen Lebens. Dank unserer modernen Kommunikationsformen wissen wir genau, wann und wo welche Empfindungen von uns erwartet werden. Tröstlich, nicht wahr? Gütiger Himmel, wir gleichen Wasserspinnen, die über den Oberflächenfilm krabbeln, der die blauen, klaren Tiefen bedeckt. Doch dem nicht genug: Wir sorgen dafür, daß der schmierige Film, auf dem wir krabbeln, immer dicker wird, bis er schließlich und hoffentlich zu schwer wird und mit uns in die Tiefe sinkt. Was erwartet uns da wohl? Der Wahnsinn? Aber ich schweife vom Thema ab.
    Mrs. Thorntons Stadtwohnung lag an einem ruhigen Platz. Ich fuhr sie nach Hause, nachdem ich meiner Sprechstundenhilfe die Nachricht hinterlassen hatte, alle Termine auf einen anderen Tag zu verlegen.
    Zwei Marmorsäulen flankierten den Eingang aus schwerem Eichenholz. Wir betraten eine kühle, imposante Halle, die mit dem gleichen Marmor ausgelegt war. Ein attraktives, kleines Dienstmädchen nahm unsere Garderobe in Empfang. Mrs. Thornton fragte es, wo Mr. Davenport zu finden

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