Der Eroberer
aufgewachsen er stand ihr nahe wie ein Bruder.
Ceidre nestelte fahrig an ihrem Gürtel, als sie durch den Obstgarten schlenderten. »Geht es meinen Brüdern gut?«
»Ja. Edwin hat eine Pfeilwunde im Oberschenkel, die gut verheilt. «
Eine Welle der Erleichterung durchströmte sie, gemischt mit Besorgnis. »Bist du sicher, dass sie nicht eitert?«
»Du kennst Edwin. Er ist stark wie ein Bulle.«
Ceidre lächelte wehmütig bei dem Gedanken an ihn und Morcar.
Ja, Edwin war stark wie ein Bulle, von untersetzter Statur mit den markanten Gesichtszügen und der gebogenen Adlernase seines Vaters und rabenschwarzem Haar. Morcar war größer, schmaler, mit brauner, widerspenstiger Haarmähne und lustigen blauen Augen. Hinter seinem freimütigen Lachen verbargen sich ein immens starker Wille und große Klugheit; darin unterschied er sich nicht von Edwin. Die Brüder waren sich äußerlich nicht sehr ähnlich, der eine war in sich gekehrt und karg im Umgang mit Worten, der andere lachte und scherzte gern, doch im Grunde waren sie aus demselben Holz geschnitzt. Und sie waren einander treu bis in den Tod.
»Wo sind sie?« Ceidre blickte sich suchend um, ohne etwas Verdächtiges zu sehen. Die Dorfbewohner gingen ihren Beschäftigungen nach oder arbeiteten an der neuen Burg; der Normanne stand mit seinen Männern an der Zugbrücke, mehr als eine Meile entfernt.
»In den Sümpfen. Edwin nimmt die Enteignung nicht hin. Ceidre, du musst jeden Schritt überwachen, den Rolfe von Warenne tut. Und du musst genau zuhören und uns alles berichten, was du von den Normannen erfahren kannst.«
»Ja, das tue ich«, antwortete Ceidre. »Der Normanne ist mit fünfzig Männern angerückt, alles kampferprobte Ritter. Ich habe sie in der Schlacht gesehen.« Sie schauderte in Gedanken daran, wie der Normanne und seine Männer die Sachsen in Kesop abgeschlachtet beziehungsweise in die Flucht geschlagen hatten. »Vielleicht hat er noch mehr Krieger.«
»Die hat er mit Sicherheit in York zurückgelassen. Weißt du, dass er zum neuen Kastellan von York ernannt wurde?«
»Nein, das wusste ich nicht.«
»Wilhelm der Bastard hält sich mit seinen königlichen Truppen in York auf, um den Wiederaufbau der großen Burg zu überwachen. Rolfe steht gewiss mit ihm in Verbindung. Ceidre, wir müssen ihre Pläne kennen. Wenn es schriftliche Botschaften gibt, musst du sie finden und versuchen, ihre Gespräche zu belauschen … « Albie sah sie eindringlich an. Ceidre dachte an die Strafe für Hochverrat. Öffentliches Auspeitschen, möglicherweise Tod durch Erhängen. »Ich tue mein Bestes, Albie, aber es wird nicht einfach sein. Der Normanne ist sehr listig.«
»Versuche es. «
»Weißt du, dass er Alice heiraten soll?«
»Nein. Davon wusste ich nichts. Ich werde deinen Brüdern davon berichten. Wann soll die Hochzeit sein?«
»In zwölf Tagen. Die Zeit läuft uns davon, Albie.«
»Das ist eine schlechte Nachricht. Morcar wird zeitig kommen. Halte Ohren und Augen auf. Ich muss gehen.«
Ceidre nahm seine Hand. »Gott segne dich, Albie. Ich hatte furchtbare Angst.«
»Deine Brüder haben das ewige Leben«, grinste Albie.
»Treibe keine Scherze mit diesen Dingen. Nur Gott ist unsterblich«, wies Ceidre ihn zurecht. Er zuckte mit den Schultern, und Ceidre sah ihm nach, bis er im Wald verschwunden war. Mit, einem Blick zur Baustelle überzeugte sie sich, dass der Normanne und seine Leute noch immer beschäftigt waren. Die Gelegenheit könnte nicht günstiger sein, um seine Sachen zu durchsuchen. Ceidre eilte zum Haus zurück.
Alice gab in der Küche Anweisungen für den Speiseplan des Tages. Ceidre huschte ungesehen an der offenen Tür vorbei und betrat das Haus. Um diese Tageszeit waren nur wenige Mägde in der Halle, um die Tische abzuwischen und den Boden zu fegen. Ceidre eilte die Treppe hinauf.
Mit bang klopfendem Herzen öffnete sie die massive Eichentür und schlüpfte in die große Kammer. Die Tür ließ sie einen Spalt offen, um weniger Verdacht zu erregen, falls sie überrascht werden sollte.
In der Mitte des Gemachs stand ein breites Bett, in dem ihr Vater geschlafen hatte und nach seinem Tod Edwin – und jetzt schlief der Normanne darin. An den Wänden standen mehrere Truhen, die auch als Sitzgelegenheiten dienten und in denen die Habe des Normannen verstaut war. Die Truhen gehörten nicht zur Einrichtung von Aelfgar, der Normanne hatte sie mitgebracht. Sie schienen Ceidre geeignet, um ihre Suche zu beginnen.
Vielleicht konnte der
Weitere Kostenlose Bücher