Der erotische Fremde
Al-Jawadi-Erben beherbergen, war zu erwarten."
Mariel erwachte, als das Sonnenlicht durch die Vorhänge schien. Einen Moment lang lag sie in dem riesigen Bett und fühlte sich wie betäubt, als sie an ihre Situation dachte. Kein Zuhause, kein Auto, keine Kleider, keinen Personalausweis, keinen Pass, kein Geld. Wenig Schlaf. Und Unterschlupf bei einem Mann, dessen Motive sie nicht kannte und dessen Attraktivität sie fast wahnsinnig machte.
Wahrhaftig keine beneidenswerte Situation. Aber sie war immerhin am Leben, etwas, auf das sie letzte Nacht nicht unbedingt gewettet hätte. Außerdem spielte ein Lächeln um ihre Lippen, denn trotz all ihrer Sorgen und Ängsten empfand sie etwas, das man nur als Vorfreude bezeichnen konnte.
Als ihr das klar wurde, sprang Mariel aus dem Bett und sah auf die Uhr. Es war schon nach acht. Die Wechselstube im Gare de Lyon hatte bestimmt schon seit sieben Uhr auf.
Sie beeilte sich mit Duschen und Anziehen. Jemand hatte ihre Kleidung gewaschen und getrocknet und die Wildlederstiefel ge bürstet. Trotzdem hätte sie gern etwas anderes angezogen, um nicht am helllichten Tag wie eine Schöne der Nacht herumzulaufen. Aber die einzige Alternative wäre gewesen, sich Geld von Fred zu leihen, und das ließ sie lieber bleiben.
Sie schob den Zettel mit Hals Handynummer in die winzige Tasche ihres winzigen Minirocks und ging hinaus auf den Balkon. Ein Stück weiter stand der Tisch, an dem sie zu Abend gegessen hatte.
Jetzt war er zum Frühstück gedeckt. Mansour stand davor mit dem Rücken zu ihr.
„Bonjour", sagte Fred, der gerade sein Baguette mit Butter bestrich. „Hast du etwas arrangiert, damit du heute noch Geld bekommst?"
Mariel nickte. „Ich muss zum Gare de Lyon." So viel konnte sie ihm wohl verraten.
„Sicher möchtest du gleich nach dem Frühstück los. Ich bringe dich hin."
„Das ist nicht nötig."
„Aber natürlich ist es das! Was ist, wenn das Geld noch nicht da ist? Was willst du dann tun?"
Irgendwie erschien ihr dieses Argument sehr überzeugend. Sie neigte den Kopf und unterdrückte ein Lächeln. Wahrscheinlich hatte er ein ganz und gar unpersönliches - vielleicht sogar feindseliges
Interesse daran, sie nicht aus den Augen zu verlieren. Aber das änderte nichts daran, dass ihr ein wohliger Schauer über den Rücken lief - denn sie wollte sich auch nicht von ihm trennen. Nicht, bevor eine Verbindung zwischen ihnen hergestellt wäre, etwas, das sicherstellte, dass sie sich irgendwann und irgendwie wieder sehen würden.
Genau genommen wollte sie sich überhaupt nicht mehr von ihm trennen.
Fast eine weitere Stunde war vergangen, als Mariel und Fred den Fahrstuhl bestiegen. Sie waren ein merkwürdiges Paar. Fred trug eine Sonnenbrille, ein schwarzes Poloshirt, eine sandfarbene Leinenhose und eine kleine Ledertasche für Herren, in der sich sein Geld und sein Handy befanden. Seine nackten Füße steckten in edlen Slippern. Er wirkte reich und kultiviert und - zumindest um diese Tageszeit - gar nicht so, als ob er auch nur das Geringste mit Mädchen wie ihr zu tun haben könnte.
Wahrscheinlich wür den sie ziemlich auf fallen, falls jemand nach ihnen Ausschau halten sollte.
„Die Taxis stehen links vom Ausgang", erklärte Fred, als der Aufzug unten hielt.
Plötzlich packte er Mariel am Arm. Sie selbst hatte die drei Männer, offensichtlich Araber, auch gerade bemerkt. Sie standen nur wenige Meter entfernt und gaben sich den Anschein, nicht in ihre Richtung zu sehen.
Mariel war entsetzt. Wie hatte Verdun sie so schnell gefunden? Fred fluchte und zerrte sie zurück in den Aufzug. Blitzschnell schob er seine Karte in den Schlitz, hieb mit der Faust auf den Knopf, und die Tür schloss sich.
„Wir nehmen meinen Wagen", sagte er.
Die Aufzugtür öffnete sich zwei Stockwerke tiefer in der Tiefgarage.
„Links an der Ecke", murmelte Fred.
Als sie um die Ecke bogen, blickten zwei Männer in blauen Overalls auf, die sich über die geöffnete Motorhaube einer der glänzenden Limousinen gebeugt hatten, und schauten ihnen in teressiert nach.
Fred zog Mariel eng an sich, und so schlenderten sie wie ein Liebespaar um die Ecke zurück. Dann rannten sie wie der zum Aufzug.
Wieder schob Fred seine Karte in den Schlitz, aber die Tür öffnete sic h nicht.
„Er ist schon wieder hochgefahren!"
Schon hörten sie Schritte, die rasch näher kamen.
„Hier entlang!" zischte Fred.
Er führte Mariel eine Rampe hinauf und an einer weiteren Reihe geparkter Wagen vorbei. Am Ende
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