Der erste Marsianer
nicht erheitert. Die Worte waren so unerwartet gekommen, daß er hart schluckte. Er versuchte sich zu entspannen, aber seine Nerven taten ihm den Gefallen nicht. Er sagte sich etwas unsicher, daß nur zähle, was er gestern nacht getan habe. Und wegen seiner Sicherheitsvorkehrungen war ihm niemand gefolgt. Absolut niemand. Dessen war er gewiß.
Doch es war deutlich genug, daß der Mann mit ihm spielte. Und das erschreckte ihn. Es brachte ihm zu Bewußtsein, wie sicher diese Leute sich im Besitz ihrer Macht fühlen mußten.
Zum erstenmal studierte er die Gesichter um den Tisch. Nach den ersten flüchtigen Blicken hatte er die vier Männer als stattlich und gutaussehend, und die fünf Frauen als filmstarverdächtige Schönheiten eingestuft. In einer Weise war dieser erste Eindruck nicht falsch. Auch jetzt, bei genauer Prüfung, zeigte sich, daß alle neun körperlich wohlgeformt waren, was noch von der Tatsache betont wurde, daß sie außerordentlich gut gekleidet und gepflegt waren.
An diesem Punkt endete die Schönheit wie eine Straße, die an einer zerbombten Brücke abbricht.
Diese feingeschnittenen Gesichter waren gemeißelte Masken aus Härte. Erbarmungsloser, unmenschlicher Härte. Hier war eine Grausamkeit und Menschenverachtung, wie sie nur der personifizierte Tod aufbringen konnte. Ihre Augen waren schieferblau und schiefergrau und schieferbraun. Ihre Lippen waren einheitlich schmal und verkniffen.
Das war die Unterlage. Darüber lag, jedes Antlitz beherrschend, Arroganz, schreckliche Arroganz.
Es war keine Frage. Sie glaubten an ihre Macht.
Mention aß seinen Suppengang und kämpfte um Selbstbeherrschung. Er warf Virginia einen verstohlenen Blick zu, aber sie starrte auf ihren Teller. Sie hatte nur wenig gegessen.
Er wunderte sich, daß niemand etwas sagte. Die einzigen Worte, die seit seiner und Virginias Ankunft gefallen waren, hatten der Beantwortung seiner Fragen gegolten.
Er sah, daß Torrance rätselhaft lächelte.
Stärker wurde Mentions Überzeugung, daß mit ihm gespielt wurde. Und doch, bisher hatte er nichts verloren, hatte tatsächlich Informationen gewonnen.
Dieser Kurs konnte nicht gefährlich sein. Er stellte seine nächste Frage. Wie zuvor antwortete Torrance, und er tat es mit der gleichen Offenheit.
„Sie haben recht, in Cranstons Büchern ist nicht viel über seine Entdeckungen zu lesen, hauptsächlich, weil er zur Zeit ihrer Niederschrift noch nicht sehr viel entdeckt hatte. Und meine Biographie über ihn wurde geschrieben, um ihn bei der Stange zu halten, während wir unsere Organisation aufbauten.“
Nach einer Pause fügte er hinzu: „Vergessen Sie nicht, wenn Sie an Cranston und seine Arbeit denken, daß er ein Spinner ist. Erst als er entdeckte, daß seine Idee der Verbreitung guten Willens durch universelle körperliche Kontakte keine Chance hatte, auch nur versuchsweise eingeführt zu werden, entwickelte er den Gedanken, daß künstlich verstärkte neurale Energie das gleiche bewerkstelligen könnte – ohne körperlichen Kontakt.
Nie fiel eine Theorie auf eine glattere Oberfläche. Dieser Ball rollt noch.
Innerhalb der kurzen Spanne eines Jahres hatte Cranston gefunden, daß ein Austausch neuraler Energien stattfindet, wann immer Menschen einander nahekommen. Es handelt sich dabei um eine echte Übertragung von Lebenskraft, aber sie bedarf der Verstärkung, bevor sie die gleiche Wirkung erzielen kann wie körperlicher Kontakt. Als er diese Einsicht gewonnen hatte, engagierte er einen erstklassigen Elektronikingenieur – mich –, um eine Röhre und einen Stromkreis zu entwickeln, die nicht nur die organische Energie, wie er es nannte, verstärken würde, sondern die auch individuelle Wellenlängen nach Belieben abstimmen könnte.
Eine verbesserte Version dieses Stromkreises ist jetzt in Ihrer Frau und hält sie in Verbindung mit dem Herzen, der Lunge und dem Gehirn in Doktor Cranstons geheimen Laboratorium.“
Er blickte Mention ernst an. „Cranston hat mir nie erklärt, warum es notwendig ist, daß die Organe außerhalb des Körpers sind; er sagte nur, es müsse ein Fluß über eine Distanz sein. Gleichzeitig aber gibt es keine Distanz. Das Blut, die neurale Energie, jeder Atemzug – alles wird von den Organen in diesen Glasbehältern bewerkstelligt. Wenn den Organen etwas zustößt, dann müssen wir sterben.“
Mention hatte nicht danach fragen wollen, aber dies war, was ihn am meisten interessiert hatte. Alle seine Zweifel hatten sich um diesen einen
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