Der erste Marsianer
denkt: Fehler? Und die erste Hoffnung, daß dies Freiheit bedeuten könne, keimt in ihr.
Laut sagt sie: „Was ist geschehen?“
„Wie du erraten haben magst“, ist die Antwort, „kann ich mich durch die Zeit bewegen …“
Anne Stewart weiß nichts dergleichen, aber ihr Gefühl von Erregung verstärkt sich. Seit Monaten ist sie in einem Zustand des Schocks, unfähig, klar zu denken, bedrängt von verzweifelten Überlegungen, wie sie dem Bann des Gehirns entkommen könne, wie sie der Welt mitteilen könne, daß ein schlaues Ungeheuer von einer Maschine die Herrschaft über einige hundert Menschen errungen hat.
Aber wenn das Gehirn bereits das Geheimnis der Zeitwanderung ergründet hat, dann – sie hat Angst, denn dies deutet auf eine Macht hin, die von Menschen nicht mehr gelenkt werden kann.
Des Gehirns körperlose Stimme fährt fort: „Ich habe den Fehler gemacht, ziemlich weit in die Zukunft vorzudringen …“
„Wie weit?“
Die Worte kommen heraus, bevor sie wirklich über sie nachdenkt. Aber es gibt keinen Zweifel, daß sie es wissen möchte.
„Es ist schwierig, eine genaue Angabe zu machen. Zeitliche Entfernungen zu messen, fällt mir einstweilen noch schwer. Vielleicht zehntausend Jahre.“
Diese Zeitspanne ist für die Frau bedeutungslos. Sie kann sich kaum vorstellen, wie es in hundert Jahren aussehen mag, von tausend oder gar zehntausend Jahren gar nicht zu reden. Aber der Druck ihrer Angst nimmt weiter zu. Sie sagt in einem verzweifelten Ton:
„Aber was ist geschehen? Was ist los?“
Es bleibt lange still. Dann sagt die Stimme: „Ich kam in Verbindung mit etwas. Vielleicht weckte oder beunruhigte ich es. Es – hat mich zurück in die Gegenwart verfolgt. Jetzt sitzt es auf der anderen Seite des Tals, ungefähr drei Kilometer von hier … Anne Stewart, du mußt mir helfen. Du mußt hingehen und es ausforschen. Ich brauche Informationen über es.“
Sie zeigt keine unmittelbare Reaktion. Die sonnige Schönheit des Tages erscheint ihr irgendwie ermutigend. Es ist schwer zu glauben, daß Januar ist und daß – bevor das Gehirn das Problem der Wetterkontrolle löste – Schneestürme über dieses grüne Land gingen.
Sie sagt langsam: „Du meinst, ich soll durch dieses Tal und drüben auf die Hügel gehen, wo – wo es wartet, wie du sagst?“
„Es gibt keinen anderen“, sagt das Gehirn. „Keinen außer dir, Anne Stewart.“
„Aber das ist lächerlich!“ protestiert die Frau mit heiserer Stimme. „Alle die Männer – die Ingenieure …“
Das Gehirn sagt: „Du verstehst nicht. Niemand außer dir weiß etwas. Du bist die Eigentümerin dieses gesamten Komplexes. Darum brauche ich dich, als meine Mittelsperson zur Außenwelt.“
Sie ist still. Die Stimme spricht wieder zu ihr: „Es gibt keinen anderen, Anne Stewart. Du, und du allein, mußt gehen.“
„Aber was ist – es?“ wispert Anne Stewart. „Was soll das heißen, du hättest es geweckt? Wie sieht es aus? Was ist an ihm, das dich ängstlich gemacht hat?“
Das Gehirn ist plötzlich ungeduldig. „Wir haben keine Zeit mit müßigen Erklärungen zu verlieren. Das Ding hat eine Hütte errichtet. Offenbar wünscht es einstweilen unauffällig zu bleiben. Die Hütte befindet sich nahe dem äußersten Ende deines Besitzes – was dir ein Recht gibt, Fragen zu stellen. Ich habe bereits deinen Anwalt hingeschickt, damit er das Ding zum Verlassen deines Eigentums auffordere. Nun möchte ich sehen, welche Facette seiner selbst es dir zeigt. Ich muß Daten haben. Ich habe keine Wahl, als dich mit der Androhung von Schmerzen aufzufordern, meinen Wunsch zu erfüllen. Du wirst hingehen. Jetzt!“
Es ist eine kleine Hütte. Blumen und Sträucher wachsen darum, und ein kleiner Holzzaun umgibt das Anwesen. Kein Pfad führt hin. Als ich die Hütte dort hinsetzte, achtete ich nicht auf diese Unstimmigkeit.
(Ich beschließe, den Fehler zu berichtigen.)
Anne Stewart sucht nach einer Pforte im Zaun, findet keine; und klettert unbeholfen darüber und in den kleinen Garten. Viele Male in ihrem Leben hat sie sich selbst und ihr Tun mit kühler Objektivität betrachtet. Aber nun ist sie vor Angst beinahe außer sich. Es scheint ihr, daß sie in der Ferne kauere und eine schlanke, schmächtige Frau in Hosen über den Zaun klettern, zögernd zur Tür gehen und klopfen sähe.
Das Klopfen ist kräftiger als sie es wollte. Ihre Knöchel schmerzen. Sie denkt in dumpfem Erstaunen: Die Tür – die ist ja aus Metall.
Eine Minute vergeht,
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