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Der erste Sommer

Der erste Sommer

Titel: Der erste Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maximilian Dorner
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schlagartig beruhigt.
    Marias Miene verfinsterte sich. »Ja, er! Nachdem das mit der Operation passiert ist«, erklärte sie bitter, »nach dieser bestialischen Operation. Was blieb ihm anderes übrig? Sie hätten ihn doch in ein Lager gesperrt, wenn er sich nach der Verurteilung ein einziges Mal in Frauenkleidern auf der Straße gezeigt hätte.«
    »Was für eine Operation?«, fragte Martin. Bilder von Menschenversuchen und Leichenbergen überschlugen sich in seinem Kopf. Er hasste dieses Lokal. Er hasste Deutschland. Warum war er nur zurückgekommen?
    »Sind Sie etwa von der Polizei?«, erkundigte sich Maria. »Da gab es schon einmal einen Polizisten, der sich sehr für Toscas Tod interessiert hat. Wilhelm arbeitet inzwischen für uns als Beleuchter. Sagen Sie es gleich! Nichts Menschliches ist uns fremd.«
    »Sie wissen es vielleicht nicht, weil Sie Amerikaner sind«, erklärte der Tenor Schmitt gutmütig, um Martin Zeit zum Nachdenken zu geben, »aber hierzulande haben Personen, die anders waren als andere, in den letzten Jahren ihre Zeugungskraft von Staatswegen verloren, wenn Sie verstehen …«
    Schmitt griff Martin in den Schoß und drückte zu. Dieserschien nichts zu spüren, mit versteinerter Miene glotzte er, leicht schwankend, in den Spiegel ihm gegenüber.
    »Sagen Sie, dass das nicht wahr ist!«, flüsterte er nach einer langen Pause.
    »So schlimm ist es auch nicht, ein Mann zu sein«, warf der Tenor Schmitt ein und zog seine Hand zurück.
    Martins Finger zitterten.
    »Hat dieser Doktor ihr das angetan?«
    »Es wird schon ein Doktor gewesen sein und kein Tischler.« Maria nahm Martins Glas und trank daraus einen Schluck. »Und nun erklären Sie uns, was Sie von Tosca wollten. Geld? Auch da wären Sie nicht der Erste.«
    »Ich wollte mich bei ihr entschuldigen«, erwiderte Martin.
    »Nun ja. Dafür ist es nun wohl zu spät«, konstatierte Maria. »Was machen Sie beruflich?« Sie ließ ihre Fingerspitzen einen Augenblick auf seinem dunkel behaarten Handgelenk ruhen. Dann riss sie sich zusammen und ließ ihn los. Der Junge war nicht einmal halb so alt wie sie selbst.
    »Ich schneide amerikanischen Offizieren die Haare«, log Martin.
    In Wahrheit hatte er keinem einzigen Soldaten die Haare geschnitten, nur deren Geliebten. Die Sommermonate hatte er mit ihrer Unterstützung ein sorgenfreies Leben geführt und darüber fast vergessen, warum er eigentlich nach München gekommen war. Damit war es vorbei, seit Andras ihm die Nachricht von Toscas Tod überbracht hatte. Seitdem hatte ihn das Glück verlassen. Um zu überleben, musste er nun wieder stehlen, wie im Juli. Meistens gab er sich als amerikanischer Offizier aus, der Wohnungsinventar konfiszierte. Er schüttelte unwillig den Kopf und wandte sich wieder an Maria.
    »Wenn ich mich damals den Tatsachen gestellt hätte, wäre das alles nicht passiert.« Er stockte und fuhr mit starrem Blickfort. »Dieses feiste Münchner Schwein! Ich wusste von Anfang an, dass er abartig ist. Warum hat er ihr das angetan?«
    Keiner der Anwesenden antwortete ihm. Martin glitt von dem Hocker und torkelte hinaus. Auf dem Bürgersteig vor der Tür rutschte er aus und erbrach sich.
    Einer der Männer am Eingang stand auf, schloss kopfschüttelnd die Tür und verriegelte sie. »Diese Amerikaner vertragen nicht einmal ein Bier«, sagte er zu seinem Freund.
    Die Barfrau faltete unterdessen sorgfältig ihr Geschirrtuch zusammen.
    » Die Liebe höret nimmer auf «, meinte sie zu Maria und Schmitt, der Martins Überzieher wie eine Trophäe umklammerte.
    Maria überlegte einen Augenblick.
    »Nein, Ihr Lieben, der sucht eine andere. Ein tragisches Missverständnis. Der sucht eine echte Frau, nicht unsere Trümmer-Tosca.«
    Schmitt nickte. »Mir war der Ami auch gleich sehr fehl am Platze vorgekommen. So einer passt nicht zu uns Engelsburglern. Und zu Tosca auch nicht. Und in die ›Feuerwache‹ gleich dreimal nicht. So überzeugend sie auch auf der Bühne war, einem Mann hätte sie im Bett nie vormachen können, eine echte Frau zu sein. Mit dem Ding zwischen den Beinen!«
    »Unsere Tosca hätte sich nie mit einem Amerikaner eingelassen«, bestätigte Maria. »Viel zu gefährlich in ihrer Situation, selbst wenn er so hübsch gewesen wäre wie dieser Bursche. Und nach der Sterilisierung hat sie sowieso keinen Mann mehr angeschaut. Na, der Junge wird seine Tote schon noch finden. Und wenn er sie nicht findet, kann er sich jetzt wenigstens eine aufregende Geschichte zusammenreimen. Jedem

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