Der erste Tropfen Blut: Thriller (German Edition)
Morgenluft war ihr Atem kaum vom Tabakqualm zu unterscheiden. Sie sah müde und alt aus. »Sorry, Laz«, sagte sie, als er zu ihr in die Kälte hinaustrat, »ich hab’s einfach nicht übers Herz gebracht, den Leuten zu sagen, dass ihr Kind tot ist. Und so was will DI sein, hm?« Sie seufzte und nahm noch einen tiefen Zug von ihrer Zigarette. »Einhundertsiebenundsechzigmal. So oft habe ich schon die schlechte Nachricht überbracht. Ich hab’s gerade nachgerechnet. Einhundertsiebenundsechzig Menschen.« Sie seufzte wieder. »Was für ein beschissener Job. Wir müssen echt verrückt sein …«
»Ich habe in Jasons Zimmer etwas gefunden. Das Auto, aus dem er geworfen wurde – sieht aus, als wäre es seins gewesen.«
»Mist.«
»Genau. Und ein Computer steht da auch rum. Ich habe Mr. Fettes gesagt, dass wir den und noch ein paar andere Sachen mitnehmen müssen, um sie im Labor analysieren zu lassen.«
»Der arme Kerl hatte keine Ahnung, dass sein Sohn Pornofilme gemacht hat. Das gibt einem doch zu denken, was?«
»Soll Rickards hier bei den beiden bleiben?«
»Was?« Steel runzelte die Stirn, jäh aus ihren Gedanken gerissen. »Lieber nicht. Er ist nicht entsprechend ausgebildet – weiß der Himmel, wie er sich da anstellen würde. Lassen Sie einen Betreuungsbeamten rauskommen. Sobald er da ist, düsen wir zurück aufs Revier.«
Sie fuhren zurück ins Präsidium, den Kofferraum voll mit Jasons Computer, der langen Metallkiste, die unter seinem Bett versteckt gewesen war, und seiner Pornosammlung. Mr. Fettes saß hinten mit DI Steel – er kam mit, um die Leiche seines Sohnes offiziell zu identifizieren. Unten im Abschiedsraum warf er nur einen Blick auf Jason, sagte »Er sieht so klein aus …« und bat darum, wieder nach Hause gebracht zu werden. Und das alles mit einer Stimme, die kaum mehr als ein Flüstern war. Steel ließ ihn von Alpha sechs-neun fahren.
Oben angekommen, fanden sie das Soko-Büro weitgehend verlassen; nur zwei Constables schoben Telefondienst, alle anderen hatten sich zum Mittagessen in die Kantine verfügt. Logan hatte alles, was sie aus Jasons Zimmer mitgenommen hatten, in der Asservatenkammer registrieren lassen und gleich wieder ausgeliehen, damit sie es an einem der Schreibtische am Fenster in Augenschein nehmen konnten. Steel griff sich gleich die Pornos, studierte die DVD-Hüllen und trug mit dramatischem Timbre ausgewählte Zitate aus den Hüllentexten vor. Dann kamen die Hefte an die Reihe. Nicht gerade hochwertig, aber dafür ziemlich eindeutig. Und alle unter Mitwirkung von Jason Fettes entstanden.
»Scheiße, nee«, sagte Steel und hielt eine Doppelseite hoch, auf der das Opfer mit zwei unidentifizierten Frauen und einem Mann mit einer Gummimaske zugange war, »der Kerl hat eine ganze Pornosammlung voll mit seiner eigenen Visage. War wohl ein kleiner Narziss, unser potenter Freund, was?« Sie legte das Heft zurück auf den Stapel. »Was ist in der Kiste?«
Logan schloss sie auf und zeigte es ihr.
»Leck mich!« Steel griff hinein und zog einen Ganzkörper-Latexanzug heraus, komplett mit Armen, Beinen, Handschuhen und Stiefeln, alles in Mattschwarz. Sie schob ihren Zeigefinger, der in einem Latexhandschuh steckte, durch ein kleines Loch im Schritt. Ein zweites, identisches Loch befand sich weiter hinten. »Ob er den wohl bei Marks & Spencer gekauft hat?« Die Kiste enthielt außerdem noch eine Haube aus schwarzem Formlatex mit winzigen Löchern für Nase und Augen sowie ein Sortiment von Schlägern, Patschen, Knebeln und merkwürdigen pinkfarbenen Gerätschaften, die meisten davon batteriebetrieben.
Logan betrachtete prüfend ein seltsames, pilzförmiges Objekt. »Was zum Teufel ist das?«
»Ein Analstöpsel«, antworteten Steel und Rickards wie aus einem Mund. Der Constable lief sogleich knallrot an.
»Okay, Sherlock.« Steel grinste ihn an und fischte einen kleinen schwarzen Plastikkasten aus der Kiste. »Da abweichende Sexualpraktiken offensichtlich Ihr Spezialgebiet sind – was ist das?« Sie klappte den Deckel auf, worauf ein Gewirr von Drähten mit Elektroden sowie eine Steuerkonsole zum Vorschein kamen.
Rickards’ Gesichtsfarbe wechselte von Tomaten- zu Bordeauxrot. »Das ist ein Elektrostimulator.«
»Ach ja?« Sie schien ehrlich verblüfft.
»Man … Es dient dazu … Die Elektrizität … Man kann damit die Intensität … ähm …«
»Und das bringt wirklich was, ja?« Sie griff nach der Steuerkonsole und begann an den Knöpfen herumzudrehen.
»Es …
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