Der erste Tropfen Blut: Thriller (German Edition)
Ermittlungen ausgearbeitet, und DI Insch hatte Logan nicht ein einziges Mal angeschnauzt. Das war dieser Tage schon so etwas wie ein Rekord. »Morgen früh«, sagte Insch und sah stirnrunzelnd auf seine Uhr, »trommeln Sie das Team zusammen, und wir machen ein Wiederaufnahme-Briefing. Wo zum Teufel steckt dieser Trottel Rennie?«
»Keine Ahnung, Sir.«
»Also, wenn Sie ihn sehen, sagen Sie ihm, wenn er nicht spätestens um halb sieben im Kulturzentrum ist, bastle ich mir aus seinen Eiern einen Schlüsselanhänger!« Und damit entschwand er.
Logan stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Insch war früher längst nicht so anstrengend gewesen. Aber immerhin war jetzt endlich Feierabend. Er war gerade dabei, sich auszutragen, als DI Steel ihn fand. »Na, machen wir heute früher Schluss?«, fragte sie und rümpfte abschätzig die Nase.
»Meine Schicht war vor zwanzig Minuten zu Ende, also eher nein.«
»Na, na, sind wir etwa schlecht drauf? Wie war’s bei dem Fettsack Insch – hat er Ihnen den BH vom Leib gerissen und Sie um den Schreibtisch gejagt?«
»Er will den Fall Jason Fettes.«
Steel schien überrascht. »SM, Sexshops und zwielichtige Internet-Chatrooms? Klingt so gar nicht nach ihm. Na ja, ist ja auch egal – er kann den Fall gerne haben, muss ich mir um eine Sache weniger Gedanken machen. Haben Sie ihm auch die Einbrüche angeboten?«
»Daran war er nicht interessiert.«
Sie seufzte. »Genauso wenig wie ich. Sie wollen sie nicht zufällig haben, oder?«
»Eher nicht. Ich …«
»Hm, das ist doch eigentlich gar keine so schlechte Idee – es würde Ihnen einen Vorwand liefern, sich ab und zu mal von Inspector Fettwampe loszueisen.«
»Aber …«
»Nix da, ich habe mich entschieden. Sie können Rickards haben, den schmutzigen kleinen Lustmolch. Liefern Sie mir alle paar Wochen mal ’nen kleinen Zwischenbericht, dann kriegen wir schon keine Probleme. Keine Sorge, ich erwarte nicht, dass Sie die Fälle tatsächlich knacken.«
Irgendwie konnte Logan sich darüber nicht so recht freuen.
Träge Wellen von Sprühregen wehten vom Himmel herab und ließen die Straßenlaternen entlang der Union Street wie Glühwürmchen glimmen. Logan schlug den Kragen seiner Jacke hoch und beeilte sich, nach Hause zu kommen, um nicht bis auf die Haut durchnässt zu werden. In der Wohnung war es verdächtig still, als er eintrat. Um Viertel vor sieben war Jackie noch immer nicht aufgetaucht, was bedeutete, dass sie wahrscheinlich direkt ins Pub gegangen war. Das wurde bei ihr allmählich zur Gewohnheit – und zwar genau, seit die Anklage gegen Macintyre in sich zusammengefallen war. Logan versuchte sie auf dem Handy zu erreichen, doch der Anruf ging gleich auf die Mailbox. Das hieß, er musste zusehen, wie er allein klarkam, oder sich schon wieder einen Abend im Pub antun. Er inspizierte die Vorratsschränke in der Küche, dann den Kühlschrank – und beschloss, sich was beim Chinesen um die Ecke zu holen.
Er schloss gerade die Wohnungstür ab, als drinnen das Telefon klingelte. Fluchend schloss er wieder auf und schaffte es gerade noch, den Anrufbeantworter mitten im Spruch abzuwürgen.
»Hallo?«
» Wer ist da? « Die wohlbekannte Stimme des dicken Gary.
»Was glauben Sie denn, wer hier ist? Sie haben mich schließlich angerufen!«
» Aye, aber Sie hätten auch Watsons Auserwählter sein können. Er hat ’ne ganz ähnliche Stimme wie Sie. «
»Sehr witzig. Was gibt’s, Gary?«
» DI Insch: Ich kann ihn nirgends erreichen; sein Handy ist ausgeschaltet, also sind Sie der Nächste in der Thronfolge. «
»Bin ich nicht, ich …«
» Doch, das sind Sie. Ich hab Steel gefragt, und sie sagt, Sie arbeiten jetzt für ihn. «
Diese verdammte DI Steel – er hätte sie würgen können. Logan seufzte. »Was liegt an?«
» Wir haben grad einen Anruf von der Tayside Police reinbekommen – die haben da eine Vergewaltigung, die haargenau in das Muster von Ihrem Rob-Macintyre-Fall passt. «
17
Die Klänge eines gemarterten Klaviers tönten Logan entgegen, als er die Türen des Kulturzentrums aufstieß. Laut den Plakaten, die draußen hingen, standen diese Woche verschiedene Stücke von Samuel Beckett auf dem Programm, doch die Ankündigung von Warten auf Godot war mit einem fetten Fällt aus überklebt. Das erklärte, wie Insch es geschafft hatte, sich das Kulturzentrum für seine Sonderprobe zu sichern, zu der er die komplette Truppe einbestellt hatte, obwohl es Samstagabend war. Normalerweise ließ man eine
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