Der erste Tropfen Blut: Thriller (German Edition)
Steel schnarchte friedlich in ihrem Sessel, die Zeitung wie eine Decke über die Brust drapiert, während im Fernsehen High Noon lief und Mrs. Ritchie auf der Couch in einem Sudoku-Heft herumkritzelte. Logan entschuldigte sich und nahm den Anruf oben im Schlafzimmer entgegen, wo er die Straße im Auge behalten konnte, während er sich von DI Insch anbrüllen ließ.
» Wo zum Teufel sind Sie abgeblieben? Ich hatte Sie doch beauftragt, sich bei den Teppichgeschäften umzuhören! « Der Himmel mochte wissen, wie er es herausgefunden hatte. In der Hoffnung, Insch damit zu besänftigen, gab Logan Rickards’ Zwischenbericht weiter. Es funktionierte nicht. » Sehen Sie zu, dass Sie Ihren Arsch hochkriegen – ich will bis Geschäftsschluss eine komplette Liste – und ich spreche von heute ! «
»Das geht nicht, Sir, wir sind hier bei einer Observierung …«
» Observierung? Das können Sie gefälligst an die Uniformierten delegieren – wir müssen Garvie hinter Gitter bringen! «
»Aber Steel hat mir befohlen …«
» Ah, verstehe – wenn sie Ihnen einen Befehl gibt, springen Sie sofort, aber wenn ich …«
»Wie ist die Verhandlung heute Morgen gelaufen?« Er versuchte Insch abzulenken, aber der Inspector wollte nichts davon wissen. Stattdessen musste Logan sich geschlagene zwei Minuten lang anhören, dass er seiner moralischen Verpflichtung gegenüber Jason Fettes’ Familie nicht nachkomme. Logan seufzte, schaltete das Telefon auf stumm und versuchte, an etwas Angenehmes zu denken, bis Insch fertig gewettert hatte.
» Und nur zu Ihrer Information «, sagte der Inspector schließlich, » der schmierige kleine Drecksack hat Kaution gekriegt. Er ist schon auf freiem Fuß! «
»Haben Sie jemanden auf ihn angesetzt?«
Eine Pause, und dann: » Natürlich hab ich jemanden auf ihn angesetzt! Ich bin vielleicht ein Bauerntrampel aus den Highlands, aber ein Vollidiot bin ich nicht! «
»Ich wollte damit nicht sagen …«
» Früher oder später wird er dahin zurückgehen, wo er es Fettes besorgt hat. Er weiß, dass wir an ihm dran sind – er wird versuchen, sämtliche Spuren zu vernichten .« Insch klang jetzt schon ein wenig ruhiger. » Ich will Sie gleich morgen früh in meinem Büro sehen, verstanden? Sie sind schließlich mir zugeteilt und nicht Steel .«
»Ja, Sir.« Als ob er in der Sache irgendetwas zu sagen hätte.
» Und falls Sie von Watson hören – die will ich auch sehen. Kaum gibt’s hier mal was zu tun, sind plötzlich alle verschwunden .«
Und dann war die Leitung tot.
Halb fünf – das Tageslicht begann allmählich zu schwinden. Im Licht der untergehenden Sonne verfärbten sich die grauen Wolken grellrosa und loderten wie Kohlen vor dem intensiven Blau des Himmels. Kinder schlenderten von der Schule nach Hause, in Grüppchen oder einzeln, und zogen in der kalten Abendluft Atemwölkchen hinter sich her. Keins von ihnen hatte Ähnlichkeit mit Sean Morrison.
»Was denken Sie?«, fragte Steel. Sie stand am Wohnzimmerfenster und starrte auf die Straße hinaus.
»Es kann nicht mehr lange dauern.« Das hoffte er jedenfalls. »Ich an seiner Stelle würde warten, bis alle beim Abendessen sitzen. Dann sind sie abgelenkt, und niemand bekommt mit, wie er ins Nachbarhaus einbricht … Da drüben!« Ein kleiner Junge kam träge die Straße hinaufgeschlappt. Er trug die inzwischen vertraute grau-dunkelblaue Schuluniform.
Steel kniff die Augen zusammen, und die Fältchen um ihre Augen gruben sich noch tiefer ein. »Er hat keine Jeans an, und auch kein FC-Aberdeen-Kapuzenshirt.«
»Er hat sich umgezogen – Sean weiß schließlich, dass wir nach ihm fahnden; wir haben ja seine Beschreibung überall ausgehängt. Er klaut sich einfach aus dem Struther-Haus eine Schuluniform – und schon ist er bloß eines von vielen Kindern, die nach einem anstrengenden Schultag nach Hause gehen.«
»Mag sein …«
Sie sahen zu, wie der kleine Junge stehen blieb und sich den Schuh zuband. Dann ging er geradewegs am Haus der Burnetts vorbei und weiter die Straße hinauf. »Vielleicht will er zuerst die Lage peilen? Nur …«
»Er ist’s nicht.«
»Nein, warten Sie, er wird gleich wieder umkehren …« Logan brach ab. Der kleine Junge war vier Häuser weiter stehen geblieben. Die Haustür ging auf, und eine Frauenstimme rief von drinnen irgendetwas von Fischstäbchen, worauf der Junge ins Haus schlurfte. Klapp , und er war verschwunden. »Verdammt!«
Sechs Uhr, und der Himmel war dunkel wie ein Bluterguss. Ab und zu
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