Der erste Verdacht
Kollegen.
»Vier Morde«, sagte Tommy.
»Was? Vier?«, rief der Kommissar.
»Vergiss Bonetti nicht. Er hat seit drei Jahren kein Lebenszeichen mehr von sich gegeben. Vermutlich, weil er tot ist.«
Birgitta war während dieses Resümees ungewöhnlich still gewesen. Jetzt bat sie um das Wort.
»Wir müssten uns anschauen, wie es bei Bergman und Rothstaahl zu Hause aussieht. Also in Paris.«
»In Paris! Das geht nicht!«, sagte Andersson nachdrücklich.
»Wie sollen wir sonst herausfinden, was sie vorhatten?«, fragte Birgitta.
»Wir müssen uns bei den örtlichen Behörden erkundigen«, erwiderte Andersson vage.
»Das können wir tun. Aber es wird dauern, bis wir eine Antwort bekommen. Und nach dem zu urteilen, was wir über diese Herren bislang gehört haben, glaube ich kaum, dass die Pariser Behörden eine Ahnung davon haben, was sie derzeit so trieben. Wenn sich das Projekt der zwei Kumpane noch im Vorbereitungsstadium befand, dann müssten wir irgendwas in ihren Computern finden. Habt ihr euch die Computer von Bergman und Rothstaahl angeschaut?«
Birgitta richtete diese Frage an Jonny, aber Fredrik Stridh beantwortete sie.
»Nein. Aus dem einfachen Grund, dass es in dem Haus keine Computer gab. Auf dem Schreibtisch im Schlafzimmer stand ein Drucker mit etlichen Kabeln, aber kein Computer.«
»Solche Leute benutzen Laptops, damit sie auch in der Bahn, im Flugzeug und im Hotelzimmer arbeiten können«, meinte Birgitta.
»Dann glaube ich, dass das die Antwort auf die Frage ist, was der Mörder in der Tasche mitgenommen hat: die Notebooks von Bergman und Rothstaahl«, sagte Irene.
»In Paris könnten noch Disketten liegen«, meinte Birgitta.
»Ja, ja. Hör schon mit Paris auf!«, zischte der Kommissar.
Er legte seine Stirn in tiefe Falten und wirkte einen Augenblick lang abwesend.
»Du kannst noch mal mit Bergmans Eltern reden. Die wissen vielleicht, was geplant war. Dann müssen wir wissen, wie viel Geld auf seinen diversen Konten war. Das gilt übrigens für alle Beteiligten. Kümmert euch um ihre finanziellen Verhältnisse. Irene und Tommy sollen sich mit Sanna Kaegler-Ceder unterhalten und mal schauen, wie sie auf die Nachricht von Bergmans und Rothstaahls Tod reagiert. Jonny und Fredrik machen mit Rothstaahls Eltern, den Nachbarn und den Verwandten weiter.«
Er kam ins Stocken. Plötzlich rief er: »Ich wusste, dass ich jemanden vergessen hatte! Kajsa holt weiterhin Informationen über dieses Computerunternehmen ein, bei dessen Konkurs so viel Geld verschwand.«
»IT-Unternehmen. Es hieß ph.com«, sagte Kajsa Birgersdotter seufzend.
Andersson tat so, als hätte er ihre Berichtigung nicht gehört.
Sanna Kaegler-Ceder hatte diskretes Make-up aufgelegt und sah bedeutend munterer aus als am Vortag. Ihr blondes Haar hing voll über ihre Schultern und glänzte frisch gewaschen im Licht der Jugendstillampe an der Decke. Sie ließ die Kriminalbeamten in die große Diele und ging vor ihnen her in die Bibliothek. Ein leichter Duft von Zitrone und Jasmin stieg von ihr auf. Irene fielen ihre schwarzen Lederkleider auf, eine kurze Jacke, geschnitten wie eine Jeansjacke, und dazu passende Hosen. Das ausgeschnittene weiße Seidentop brachte das Kreuz mit den Diamanten im Dekollete gut zur Geltung.
Die Nachmittagssonne schien durch die schmutzigen Fenster und beleuchtete die glitzernden Staubpartikel, die in der Luft schwebten. Irene dachte an eine wohltätige Fee, die mit der Spitze ihres Zauberstabs magischen Staub verteilte, der langsam niedersank und schließlich auf dem blank polierten Couchtisch zur Ruhe kam. Wahrscheinlich geisterte der alte Disney- Dornröschenfilm durch ihr Unterbewusstsein. Vielleicht ließ sie der staubige Geruch alter Bücher an Märchen denken.
Sanna hätte sich als Prinzessin in einem modernen Erfolgsmärchen geeignet. Sie war jung, schön und reich. Aber ihr Prinz wollte nicht recht passen. Kjell Bengtsson Ceder war zwar reich, aber nicht jung. Außerdem war er nicht der Vater des kleinen Prinzen Ludwig gewesen.
Auf Sannas Aufforderung hin nahmen die Polizisten auf dem Sofa Platz. Sanna setzte sich auf einen der Sessel. Ihr Haar funkelte wie ein Heiligenschein im Gegenlicht vom Fenster, ihr Gesicht lag im Schatten. Dass die Beamten Mühe hatten, ihre Gesichtszüge zu erkennen, hatte für sie gewisse Vorteile. Irene hatte den Verdacht, dass Sanna genau deshalb ihren Platz eingenommen und ihnen den Platz auf dem Sofa angeboten hatte. Ruhig saß sie da und wartete auf ihre
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