Der erste Verdacht
gewesen?
Als hätte Sanna ihre Gedanken gelesen, fragte sie scharf:
»Warum fragen Sie eigentlich nach Thomas und Philip?«
Statt ihre Frage zu beantworten, stellte Tommy eine neue: »Sie haben also im letzten Jahr abgesehen von einigen Mails und Glückwunschkarten nichts von Philip Bergman gehört?«
»Nein, darüber hinaus habe ich nichts von ihm gehört.«
»Wussten Sie, dass er letztes Wochenende nach Hause nach Göteborg fahren wollte?«
»Nein … hat er das getan?«
Das Erstaunen in ihrer Stimme klang echt.
»Ich muss Sie darauf vorbereiten, dass wir eine bedauerliche Neuigkeit haben«, sagte Tommy ruhig.
Die prinzessinnenähnliche Gestalt im Gegenlicht erstarrte, sagte aber nichts.
»Sowohl Philip Bergman als auch Joachim Rothstaahl sind tot aufgefunden worden. Erschossen. Ich spreche Ihnen für den Tod Ihrer Freunde unser Mitgefühl aus«, sagte er mit teilnahmsvoller Stimme.
Sanna saß vollkommen reglos da. Irene hörte ein leises, röchelndes Geräusch. Ihr war klar, dass Sanna etwas sagen wollte, es ihr aber nicht gelang, ein verständliches Wort über die Lippen zu bringen. Langsam erhob sie sich und stützte sich dabei schwer auf beiden Armlehnen ab. Aus ihrem Mund kam ein verzweifeltes Jammern, das plötzlich zu einem herzzerreißenden Schrei anwuchs.
»Nein! Nicht Philip! Nicht Phil …«
Dieses Mal kam Irene nicht mehr rechtzeitig, um sie aufzufangen.
»Sie ist also wieder ohnmächtig geworden?«, fragte Kommissar Andersson. Tommy nickte.
»Jawohl. Offenbar tut sie das bei starken Gemütsbewegungen. Das behauptet auf jeden Fall ihre Mutter. Liegt am niedrigen Blutdruck, obwohl ich finde, dass es umgekehrt sein müsste.«
Es schauderte Irene immer noch, als sie an den Tumult dachte. Elsy Kaegler war, von den verzweifelten Schreien ihrer Tochter angelockt, in die Bibliothek gerannt gekommen, dann war sie ihnen leise schluchzend und die Hände ringend im Weg gestanden. Zum Schluss hatte sie sich zusammengenommen und den Hausarzt angerufen, der Sanna Beruhigungsmittel verschrieben hatte. Er hatte seine Praxis, nur Privatpatienten, ein paar Häuser weiter und war nach zehn Minuten eingetroffen. Es war eine Befreiung gewesen, ihm die Verantwortung zu überlassen. Einige Male wäre Sanna fast wieder zu sich gekommen, hatte aber sofort wieder das Bewusstsein verloren, als sie versucht hatte, sich zu erheben.
»In Askim ist sie ja auch schon ohnmächtig geworden, aber mich beschleicht immer mehr das Gefühl, dass das eher daran lag, dass sich Kjell Bengtsson Ceder in ihrem Haus befand«, meinte Irene nachdenklich.
»Ich erinnere mich, dass sie irgendwas davon sagte, das Haus sei besudelt«, meinte Tommy und nickte zustimmend.
»Sie bekam wirklich einen ordentlichen Schock, als sie hörte, dass Rothstaahl und Bergman tot sind«, konstatierte Irene.
»Ich glaube, es war hauptsächlich die Neuigkeit von Bergmans Tod, Rothstaahl schien sie nicht so gut zu kennen.«
»Ich glaube, man muss alles, was diese Dame sagt, mit Vorsicht genießen. Außerdem sollten wir die DNA der beiden Herren im Leichenschauhaus ermitteln lassen. Vielleicht ist der kleine Ludwig jetzt wirklich vaterlos«, meinte Irene viel sagend.
»Glaubst du, dass Rothstaahl oder Bergman der Vater des Jungen sein könnten?«, fragte Andersson.
»Wer weiß? Nur Sanna kennt die Antwort auf diese Frage. Möglicherweise auch der Vater, aber das ist schließlich nie so sicher. Alle sind davon ausgegangen, dass Kjell Ceder das Kind gezeugt hat.«
»Aber Sanna und Kjell wussten doch, dass er es nicht gewesen sein konnte. Warum gab sich Ceder als Vater für das Kind eines anderen her?«, beharrte der Kommissar.
»Diese Frage werden wir Sanna stellen, wenn die Zeit dafür reif ist«, versicherte ihm Tommy.
»Es gibt viele Fragen, auf die diese Dame eine Antwort finden muss«, murmelte Andersson.
Er erhob sich und rieb sich müde die Augen. Es war nicht zu übersehen, dass er alt und verbraucht wirkte.
Wieso beharrt er darauf, weiter dem Dezernat vorzustehen? Weil das sein Leben ist, beantwortete sich Irene ihre eigene Frage.
»Nun, jetzt machen wir Feierabend. Wir sehen uns bei der Morgenbesprechung«, sagte Andersson. Und dann nahm er seinen abgetragenen Mantel vom Haken neben der Tür.
KAPITEL 6
»Bergmans Wagen wurde auf Saltholmen gefunden«, teilte Kommissar Andersson bei der Morgenbesprechung am Freitag mit.
»Er stand auf einer Wiese, die als Parkplatz dient, wenn in den Sommermonaten der Parkplatz der Dauerparker
Weitere Kostenlose Bücher