Der erste Verdacht
überfüllt ist. Die Spurensicherung befasst sich gerade mit dem Wagen. Weder eine Jacke noch eine Tasche wurden in dem Fahrzeug gefunden«, fuhr er fort.
»Saltholmen. Von hier aus fahren die Dampfer in die Schären. Auch die nach Styrsö«, meinte Irene.
»Denkst du an diesen Gemütsmenschen Bonetti?«, wollte Andersson wissen.
»Ja.«
Der Kommissar sah sie eine Weile nachdenklich an.
»Du findest, dass der Fall Bonetti stinkt?«, meinte er dann.
»Haargenau. Es besteht ein Zusammenhang zwischen diesen Morden und Bonettis Verschwinden. Unsere damaligen Ermittlungen haben nichts erbracht. Ich möchte mir die Akten noch einmal vornehmen, denn jetzt wissen wir mehr. Vielleicht fällt mir etwas auf, was damals noch nicht wichtig erschien. Im Hinblick darauf, was Bergman und Rothstaahl zugestoßen ist, sollten wir die Bonetti-Sache wohl als Mord und nicht als Vermisstenfall betrachten. Jedenfalls inoffiziell«, sagte Irene.
»Bitte keine überstürzten Schlussfolgerungen! Drei gesicherte Morde reichen, verdammt noch mal! Nach Bonetti wurde aufgrund von Wirtschaftsdelikten gefahndet. Du hast selbst gesagt, dass er ziemlich viel Dreck am Stecken hatte. Er hatte mehr als genug Gründe, um zu verduften!«
Andersson wurde rot und trommelte mit den Fingern irritiert auf der Tischplatte herum. Er sah Irene verärgert an. Hier saßen sie mit drei Mordermittlungen mitten in der Scheiße, und sie kam mit einem alten Fall an! Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als er Irenes Blick begegnete. Widerwillig erinnerte er sich an frühere Ermittlungen, in denen sich ihr Instinkt stets bewährt hatte. Einige Male stand die Sache zwar auf der Kippe, aber im Allgemeinen hatte sie zum Schluss immer Recht behalten. Bei Mordfällen benötigte ein tüchtiger Ermittler drei Dinge: Erfahrung, Intuition und Sturheit. Irene besaß jede dieser Eigenschaften.
»Okay. Du kriegst den ganzen Tag für Bonetti«, sagte er grimmig.
Irene nickte, ohne irgendein Gefühl des Triumphs erkennen zu lassen. Sie wusste sehr gut, dass sie sich durchaus auf einer falschen Fährte befinden konnte. Dann würde sie einen ganzen Arbeitstag vergeuden. Allerdings war das bei Ermittlungen nichts Ungewöhnliches. Es ging darum, Fakten ans Licht zu befördern und sie anschließend genauestens zu prüfen. Danach überlegte man sich, ob man sie verwenden oder verwerfen sollte. Oft waren Dinge, die auf den ersten Blick unwichtig erschienen, von entscheidender Bedeutung, und man erkannte dies erst sehr viel später, wenn weitere Informationen zusammengetragen worden waren. Irene hatte das Gefühl, dass es in den alten Akten rund um das Verschwinden von Thomas Bonetti etwas geben könnte, das sich plötzlich als Spur erweisen mochte.
»Tommy, du hast doch die Verhöre mit Sanna Kaegler-Ceder durchgeführt. Ich will, dass du sie mehr unter Druck setzt. Sie muss Dinge wissen, die sie uns vorenthält! Irgendwie kannte sie sämtliche Opfer. Und wie ich gestern schon sagte, solltet ihr euch die Finanzen des Paares Kaegler-Ceder ansehen. Geld war immer schon ein starkes Motiv für Mord«, sagte Andersson.
Der Kommissar betrachtete seine Untergebenen. Kajsa fehlte. Sie traf den Journalisten, der das Buch über die Internet-Unternehmen schrieb, wollte aber zur Nachmittagsbesprechung erscheinen. Birgittas Platz war ebenfalls leer, da sie von Philip Bergmans Eltern gebeten worden war, bereits um acht Uhr morgens zu ihnen zu kommen. Sie wollten zu ihrem Sommerhaus fahren, um dem Ansturm der Presse zu entrinnen. Am Vortag hatten die Abendzeitungen mit riesigen Schlagzeilen verkündet: »Zwei bekannte Finanzmänner ermordet!« und:
»Goldenes Kalb ermordet!«
Irene hatte sich von Kajsa Birgersdotter erläutern lassen, warum die Presse Philip Bergman den Spitznamen Goldenes Kalb gegeben hatte. Der Name beruhe auf seinem unglaublichen Geschick, Investoren anzulocken, und zwar fast ohne selbst einen Finger zu rühren. Sie hätten sich regelrecht darum geprügelt, dabei sein und um das Goldene Kalb tanzen zu dürfen.
»Okay. Dann legen wir los«, sagte der Kommissar und stand auf. Auf der Schwelle drehte er sich nochmals um und fügte hinzu: »Ich habe heute Morgen noch eine weitere Besprechung, aber nach dem Mittagessen könnt ihr mich wieder erreichen.«
Er sah nicht sonderlich glücklich dabei aus, als er das sagte, denn er gehörte absolut nicht zu jenen, die Treffen dieser Art genossen. Seiner Ansicht gab es zu viele Meetings und zu wenig finanzielle Mittel, um wirklich
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