Der erste Verdacht
etwas auszurichten. Immer ging es nur darum, Geld zu sparen und eine funktionierende Organisation zu zerschlagen. Jetzt war er bald vierzig Jahre bei der Polizei, und seiner Meinung nach war früher alles besser gewesen.
Irene begann damit, die Zeugenaussagen aus der Långedrag- Marina noch einmal gründlich unter die Lupe zu nehmen.
Drei Männer und zwei Jungen, Jugendliche, hatten damals übereinstimmend ausgesagt, dass Thomas Bonetti gegen acht mit seinem BMW angebraust gekommen sei. Er habe geparkt und zwei Umhängetaschen aus dem Kofferraum gehoben. Einer der Männer erinnerte sich noch, dass Thomas beim Aussteigen mit seinem Handy telefoniert habe. Es war ihnen nie gelungen, das Gespräch zu ermitteln.
Laut keuchend hatte Bonetti dann seine Taschen auf den Steg geschleppt und war zu seinem Boot gegangen. Sämtliche Zeugen hatten den Eindruck gehabt, dass die größere Tasche sehr schwer gewesen sei. Er hatte die Taschen an Bord gehievt, den Motor angelassen und die Leinen losgemacht. Die fünf Zeugen hatten dem Boot nachgeschaut, bis es am Horizont verschwunden war.
Die fünf Zeugenaussagen enthielten nichts, was Irenes Interesse geweckt hätte. Höchstens das Gespräch mit dem Handy war bedenkenswert. Schade, dass sie nie hatten ermitteln können, mit wem Bonetti gesprochen hatte.
Die Verhöre mit Bonettis Eltern hatten ebenfalls nichts ergeben. Er hatte ihnen nur mitgeteilt, dass er über gewisse Dinge in aller Ruhe nachdenken wolle. Sie hatten beide nicht gewusst, was das gewesen sein könnte. An einer Stelle hatte Irene den Ton etwas anmaßend gefunden. Antonio Bonetti hatte gesagt: »Thomas beschäftigt sich mit dem Global Business. In dieser Branche lässt sich nicht mehr so einfach erklären, was genau man eigentlich tut. Das begreifen alle großen Geschäftsleute recht rasch. Man sagt nur, was für die Öffentlichkeit bestimmt ist, und versucht, es so klingen zu lassen, als würde es unter dem Siegel der Verschwiegenheit erzählt. Da er nicht einmal uns gesagt hat, worum es ging, muss es sich um eine Riesensache gehandelt haben.«
Das eigene endgültige Untertauchen vorzubereiten, konnte man vermutlich als Riesensache bezeichnen, dachte Irene sarkastisch. Und dann: großer Geschäftsmann? In ihren Augen war er ein Betrüger. Aber auch Sanna hatte davon gesprochen, dass Philip Bergman ein großer Geschäftsmann gewesen sei. Erachten sie sich wirklich selbst als seriöse Geschäftsleute?, fragte sich Irene irritiert.
Es gab nur noch eine weitere Zeugenaussage. Sie war telefonisch an dem Tag eingegangen, an dem die Zeitungen über Thomas Bonettis Verschwinden berichtet hatten. Eine Frau hatte die Notrufnummer gewählt und darum gebeten, mit einem Ermittler im Bonetti-Fall sprechen zu dürfen. Sie war mit der Kriminalpolizei verbunden worden und hatte mit einem Inspektor gesprochen, den Irene nur dem Namen nach kannte. Er hatte die Aussage der Frau notiert und am Schluss einen eigenen Kommentar hinzugefügt: »Die Zeugin spricht sehr undeutlich, ist offenbar nicht ganz nüchtern. Habe ihr mitgeteilt, dass wir wieder von uns hören lassen, falls wir der Meinung sind, dass es der Ermittlung weiterhelfen könnte.«
Nichts in der Akte deutete darauf hin, dass dies jemals geschehen war.
Sie hieß Annika Hermansson, wohnte neben dem Sommerhaus der Bonettis und kannte daher Thomas’ luxuriöse Jacht und auch deren Motorengeräusch. Laut ihrer Aussage war das Boot kurz vor halb neun an ihrem Haus vorbeigefahren und hatte an Bonettis Steg angelegt. Nach etwa zehn Minuten war es wieder ausgelaufen, was sie mit Erstaunen und Neugier festgestellt hatte. Deswegen hatte sie es auch mit dem Fernglas beobachtet. Das Boot war hinter Branteskär verschwunden und hatte dort vermutlich angelegt, denn sie hatte nicht gesehen, dass es die Schäre verlassen hatte. Laut ihrer Aussage hatte sie »stundenlang« dagesessen, um zu sehen, wo er wohl hinwollte. Als nichts geschehen war, war es ihr langweilig geworden, und sie war ins Bett gegangen. Worauf sie jedoch besonders hinweisen wollte, war, dass jemand »Nisses Seezeichen«, einen Steinhaufen, verschoben hatte. Darum sollte sich die Polizei besser kümmern, denn das stellte eine Gefahr für den Schiffsverkehr dar!
Der Inspektor hatte sich für die Informationen bedankt und aufgelegt. Abschließend hatte er in seinem Rapport noch geschrieben: »Branteskär ist auf der Seekarte eingezeichnet und liegt 2,5 Kilometer von dem Ort auf Styrsö entfernt, an dem die Zeugin
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