Der erste Verdacht
neunhundertfünfzigtausend Dollar einbrachten. Jeder zahlte einhundertfünfzigtausend Dollar, der Rest bestand aus bereits beglichenen Rechnungen.
Alle drei bereiteten sich auf eine Tournee durch ganz Europa und die USA vor. Sie wollten Kontakte zu den Lieferanten knüpfen, aber vor allem ging es darum, Kapital zu beschaffen.
Nach abgeschlossener Finanzierungsrunde Ende Februar 1999 hatte die Gesellschaft vierzig Millionen Dollar beisammen. Es …«
»Etwas zu trinken?«
Irene wurde von der Stimme der Stewardess aus ihrer Lektüre gerissen. Verwirrt betrachtete sie das Angebot und entschloss sich schließlich für ein Mineralwasser. Kaffee gab es erst später. Vorsichtig stieß sie Kajsa an, die neben ihr mit offenem Mund schnarchte. Sie zuckte zusammen und versuchte, wach zu werden.
»Kaffee … oder Fanta … mit Milch«, murmelte sie schlaftrunken.
»Sie hätte auch gern ein Mineralwasser«, entschied Irene.
Sie bekamen ihre funkelnden Dosen. Wenig später erschien ein Steward mit Sandwiches und Plastikbechern für den Kaffee.
»Hast du schon alles gelesen?«, wollte Kajsa wissen und deutete mit dem Kinn auf den Papierstapel auf Irenes Knien.
»Nein. Es dauert etwas, weil ich mich durch diese ganzen Spezialbegriffe kämpfen muss. Aber eins steht wohl fest. Es gelang ihnen, bis in die oberen Regionen der Großfinanz vorzudringen, und zwar nicht etwa, weil sie etwas in der Hand gehabt hätten, sondern weil sie die Banker und Anwälte in Grund und Boden redeten und dazu brachten, an ihre Visionen zu glauben. Eigentlich unfassbar!«
»Ja, das ist es wirklich«, sagte Kajsa und kaute auf ihrem Schinkensandwich herum.
Irene hatte das deutliche Gefühl, dass sie nicht ganz von derselben Sache sprachen und sie definitiv nicht aus derselben Perspektive betrachteten, beschloss aber, nicht nachzuhaken. Rasch beendete sie ihr Essen, um die Lektüre fortsetzen zu können.
Die folgenden Seiten überflog sie nur. Es ging darum, wer wie viel investiert hatte. Dann begann sie, wieder aufmerksamer zu lesen:
»Im Dezember mietete Philip Bergman ein großes Büro an der Charing Cross Road. Schwedische Architekten bauten es um, damit es eine ›cool attitude‹ ausstrahlte, wie Philip Bergman sich ausdrückte. Ende Januar war alles fertig. Ehe noch die letzten Handwerker die trendige Bürolandschaft verlassen hatten, begann ph.com, Personal einzustellen. Es war kein Problem, kompetente und interessierte Bewerber zu finden. Englands bekannteste Personalberatung wurde damit beauftragt, die Richtigen zu verpflichten. Man rechnete damit, dass ph.com im Londoner Büro etwa hundert Angestellte benötigte. Die meisten erfolgreichen Bewerber waren Mitte zwanzig. Sie kamen größtenteils von Beraterfirmen und waren häufig Freunde und Bekannte der Führungsgruppe.
Im Frühjahr 1999 begann ph.coms globale Expansion. Ein großes Büro wurde in New York am Broadway eröffnet. Nach ein paar Monaten gab es dort ebenfalls etwa hundert Angestellte. Außerdem wurden Niederlassungen in Stockholm, Frankfurt am Main, Paris und Amsterdam eröffnet.
Philip Bergman hatte die Vision, dass ph.com in Europa und in den USA in insgesamt sechs verschiedenen Sprachen lanciert werden sollte. Alle Preise sollten, einschließlich eventueller Zölle und der Frachtspesen, sofort in die Landeswährung umgerechnet werden. Alle erhältlichen Kleider sollte sich der Kunde in verschiedenen Farben und zusammen mit verschiedenen Accessoires virtuell betrachten können. Die eigene Homepage sollte sich von allen anderen auf dem Markt unterscheiden und Besucher durch ihr freches Design anlocken.
Gewisse Experten rieten von Anfang an ab, da die Gestaltung einer solchen Homepage enorme Probleme mit sich bringen würde. Sowohl Philip als auch Sanna waren jedoch unnachgiebig. Es würde klappen, es musste klappen! Auch Thomas Bonetti war ihrer Meinung. Als Wirtschaftswissenschaftler wusste er, was zu einer hohen Bewertung auf dem Aktienmarkt führte: viele Besucher der Homepage eines Unternehmens, schnelles Wachstum und rasch wachsende Angestelltenzahlen. Es kam nicht in Frage, innezuhalten oder den Anschein zu erwecken, man zögere!
Andere Berater wagten es auch, sich der Geschäftsidee zu widersetzen, einen ›Lebensstil‹ zu verkaufen. Die bekannten Modehäuser würden sich nicht auf dieses Konzept einlassen. Sie würden verlangen, dass ph.com die Kollektionen vor Beginn der Saison kaufte. Das würde große Lagerkosten und das Risiko, auf das Falsche zu
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