Der erste Verdacht
zunehmenden Wind erschwert wurde.
»Ich bleibe hier auf dem Boot. Ich muss noch ein paar Fender auslegen und zusehen, dass wir nicht irgendwo dagegenhauen«, meinte Torbjörn.
Irene verlor fast das Gleichgewicht, als sie vom glatten Vordeck aus an Land springen wollte. Das hätte gerade noch gefehlt, dass sie vor den Augen der Kollegen ins Wasser fiel! Damit hätte sie dann bis zur Pension leben müssen. Es war auch nicht sonderlich einfach, die Felswand hochzuklettern, da sie sich nur mit einer Hand festhalten konnte. Sie waren gezwungen, sich wie Riesenkrebse seitwärts zu bewegen, um die steilste Stelle zu umgehen. Es wurde etwas leichter, als sie unterhalb des Seezeichens bei einer Spalte voller Geröll anlangten, das das Inlandeis vor ein paar tausend Jahren beim Abschmelzen zurückgelassen hatte.
Svante Malm und zwei Polizisten tranken gerade Kaffee aus Thermoskannen. Ein eisiger Wind pfiff hoch oben auf der Schäre, und kühle Feuchtigkeit drang durch die Regenkleidung. Sie hatten eine Persenning über das Grab gespannt, um es vor dem Nieselregen zu schützen.
»Trinkt einen Schluck Kaffee. Der Bursche hat jetzt ein paar Jahre gewartet, da kommt es auf fünf Minuten auch nicht mehr an«, begrüßte sie Svante.
Irene nahm den Becher dankbar mit klammen Händen entgegen. Wer denkt schon Ende September daran, ein Paar Handschuhe einzustecken? Jedenfalls nicht sie. Das Getränk wärmte durch das dünne Plastik und taute ihre steif gefrorene linke Hand auf. Die rechte hing warm und trocken unter der Jacke. Sie würde die Schlinge vermutlich nicht mehr lange benötigen, der Ellbogen fühlte sich allmählich wieder besser an.
»Glaubst du, dass es sich um Thomas Bonetti handelt?«, fragte Tommy ohne Umschweife.
»Ich glaube, dass die Zeit, die die Leiche hier gelegen hat, stimmen könnte. Einige wenige Gewebereste sind noch übrig, aber viel mehr nicht. Die Insekten haben gute Arbeit geleistet. Die Kleider und Haare sind noch da. Es handelt sich um Herrenkleidung, und das Haar ist recht dünn und blond, rotblond.«
»Das bestärkt unseren Verdacht, dass es sich um Bonetti handelt«, sagte Tommy und nickte.
Der Mann von der Spurensicherung goss sich dampfenden Kaffee nach. Er blies in den Becher und betrachtete die beiden Kripoleute durch den Dampf.
»Ich habe noch etwas feststellen können. An der linken Hand der Leiche fehlen alle Finger außer dem Daumen.«
»Es ging recht schnell, die Unterlagen von Thomas Bonettis Zahnarzt zu beschaffen. Er hatte denselben Zahnarzt wie seine Eltern. Der Gerichtsodontologe hat sich die Zähne der Leiche gestern Abend bereits angesehen und sie mit den Röntgenbildern Bonettis verglichen. Sie stimmen überein. Wir haben also Thomas Bonetti gefunden«, sagte Tommy.
Es war Freitagmorgen, und sie saßen um den Konferenztisch und versuchten, die letzten Entwicklungen im Fall Bonetti zu analysieren. Eine unangenehme, graue Dämmerung klebte an den Fenstern, und sie hatten Licht machen müssen. Jetzt gibt es kein Zurück, der Herbst ist da, dachte Irene düster. Sie tröstete sich damit, dass sie mit Tommys Frau Agneta am Wochenende Pilze pflücken gehen wollte. Sie fuhren immer in den Wald Härskogen, in dem sie eine gute Stelle kannten.
»Und Svante hatte Recht. An der linken Hand fehlen vier Finger. Sie liegen nicht im Grab, denn die Spurensicherung hat den Steinhaufen genauestens durchsucht«, fuhr Tommy fort.
Der Kommissar schnaufte und hustete dann, um die Atmung zu erleichtern. Bei feuchtem Wetter verschlimmerte sich sein Asthma immer.
»Folter. Ein deutlicher Hinweis auf Folter«, sagte er mit belegter Stimme.
»Warum hätte ihn jemand foltern sollen?«, fragte Fredrik.
»Geld. Bei diesem Fall dreht sich alles um Geld«, antwortete Irene rasch.
»Aber das stimmt nicht. Als Bonetti verschwand, war doch das gesamte Kapital von ph.com schon weg«, wandte Birgitta ein.
»Eben. Und wer wurde der Unterschlagung bezichtigt?«, fragte Irene.
Ehe noch jemand antworten konnte, beantwortete sie selbst ihre rhetorische Frage: »Thomas Bonetti.«
Nachdenkliches Schweigen breitete sich aus. Schließlich fragte Fredrik Stridh: »Wie viel Geld soll Bonetti denn unterschlagen haben?«
»Mehrere Millionen. Möglicherweise sogar eine Summe in der Größenordnung von fünfzehn bis zwanzig Millionen, laut Sanna Kaegler«, antwortete Irene.
»Fünfzehn Millionen. Leute haben schon für weniger ihr Leben und ihre Finger lassen müssen«, stellte Birgitta fest.
»Aber warum
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