Der erste Verdacht
möglichst viel zu erinnern«, sagte Verdier.
»Womit hat er dir auf den Kopf geschlagen?«, warf Irene ein.
»Keine Ahnung. Ich sah nur, dass er so etwas wie … wie ein Eisenrohr … in der Hand hielt. Recht lang.«
»Könnte es sich um ein kleines Brecheisen gehandelt haben? Oder um eine große Taschenlampe?«, schlug Irene vor.
»Eher ein Brecheisen. Habt ihr eines gefunden?«
»Nein. Er hat die Waffe mitgenommen. Die Tür war auch nicht aufgebrochen. Er besaß einen Schlüssel. Und den hat er immer noch«, stellte Irene fest.
»Ich werde Madame Lauenstein bitten, das Schloss auswechseln zu lassen«, sagte Verdier rasch.
Er sah Kajsa an und sagte dann: »Hier in der Wohnung ist geschossen worden. Die Spurensicherung hat die Kugel sichergestellt. Kaliber achtunddreißig. Aber darüber kann Ihnen sicher Madame Huss mehr erzählen.«
Als er das sagte, richtete er seinen Stahlblick auf Irene. Schon wieder, dachte sie. Widerwillig bewunderte sie seine Sturheit und seinen Instinkt. Er hatte Recht, obwohl er auf der vollkommen falschen Fährte war. Aber sie hatte keine Lust, ihn auf die richtige zu führen. Sie wollte einfach jeglichen Scherereien mit der Pariser Polizei aus dem Weg gehen. Schlimm genug, dass sie überhaupt in die Sache reingezogen worden waren.
Es war schwierig, Kajsas Erinnerungsvermögen auf die Sprünge zu helfen. Schließlich bat sie darum aufzuhören. Sie sei müde und habe Kopfschmerzen. Außerdem habe sie einen wahnsinnigen Hunger! Irene erbot sich, Pizza im Pizza Hut zu holen, aber Kajsa stellte sich an wie ein kleines Kind und sagte, wenn sie schon mal in Paris sei, dann wolle sie auch französisch essen. Sie beschlossen, wieder das La Rotonde zu besuchen. Dorthin war es nicht weit, und sie wussten, dass das Essen gut war.
Nach einem guten Mittagessen, das aus gegrillter Forelle mit Dillkartoffeln bestand, taute Kajsa auf.
»Ich will auf keinen Fall wieder in diese deprimierende Wohnung zurück«, erklärte sie beim Kaffee, zu dem sie Apfelkuchen aßen.
»Das ist auch nicht nötig«, meinte Verdier.
Er hatte keinen Apfelkuchen bestellt, sondern sich mit einem Café au lait begnügt.
»Es ist bald Zeit, den Bus zum Flughafen zu nehmen«, meinte Irene.
Sie konzentrierte sich darauf, mit der Gabel durch die knusprige Kruste des Apfelkuchens zu stechen. Wenn sie zu fest drückte, würde sicher ein Stück auf Verdiers Schoß landen. Ein fürchterlicher Gedanke! Sie sah den Franzosen an und merkte, dass er Kajsa beobachtete.
Plötzlich sagte er: »Was hat er denn gesagt, als er auf Sie zustürzte?«
»Wer?«, fragte Kajsa überrumpelt.
»Der Mann, der Sie angegriffen hat. Was hat er gesagt, als er zuschlug?«
Kajsa sah ihn verwundert an. Sie öffnete den Mund, um zu antworten, schloss ihn aber sofort wieder.
»Mein Gott«, flüsterte sie dann auf Schwedisch. Sie sah Irene an und sagte: »Als er zuschlug, zischte er: ›Scheiße, Scheiße, Scheiße‹, und zwar auf Schwedisch.«
KAPITEL 13
»Scheiße, Scheiße, Scheiße«, wiederholte Andersson nachdenklich.
Er ließ sich auf seinen Platz an der Schmalseite des Konferenztisches sinken. Sie hatten eine Pause gemacht, nachdem er ans Telefon gerufen worden war. Er hatte das Gespräch in seinem Büro entgegengenommen. Alle im Konferenzraum hatten die Gelegenheit genutzt, sich die Beine zu vertreten und Kaffee zu holen. Irene und Kajsa hatten fast den ganzen Vormittag damit verbracht, ihren Kollegen von ihren Erlebnissen in Paris zu berichten. Birgitta Moberg-Rauhala, Tommy Persson, Fredrik Stridh und Jonny Blom hatten aufmerksam zugehört. Irene fand, dass Jonny zuviel Tamtam um Kajsas bandagierten Kopf machte. Ihr rechter Arm in der Schlinge war ihm kaum aufgefallen.
»Bergman und Rothstaahl treiben krumme Geschäfte mit einem Pyramidenspiel. Sie wohnen als schwules Pärchen zusammen. Dealen. Beide werden hier in Göteborg ermordet, als sie zu Hause auf Besuch sind. Kajsa und Irene werden von einem Mann niedergeschlagen, der etwas auf Schwedisch murmelt. Wahrscheinlich ist es derselbe Mann, dem Irene später am Abend noch einmal in der Wohnung begegnet. Er schießt mit einer Pistole Kaliber 38 auf sie. Weder Kajsa noch Irene erkennen ihn. Möglicherweise hat er das Rauschgift in der Wohnung deponiert. Die Frage lautet nur: Warum? Was hatte er in der Wohnung zu suchen? Hat er auch Bergman und Rothstaahl ermordet? Falls ja, warum? Und was zum Teufel hat das mit dem Mord an Kjell Bengtsson Ceder zu tun?«, fasste Jonny die Lage
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