Der erste Verdacht
Freundinnen«, antwortete Bonetti hochmütig mit der Betonung auf »viele«.
»Können Sie uns ein paar Namen nennen? Uns interessiert vor allem das vergangene Jahr. Winter, Frühjahr und Sommer 2000«, verdeutlichte Tommy.
Das Ehepaar Bonetti tauschte einen Blick aus. Sie schienen nicht antworten zu wollen.
»Er brachte nie eine Frau mit nach Hause. Sie müssen bedenken, dass er in London wohnte … und ständig um die Welt reiste … er war so selten zu Hause. Seine Geschäfte nahmen ihn vollkommen in Anspruch … ich glaube nicht, dass er Zeit für eine feste Beziehung hatte«, sagte die Mutter schließlich.
Das weitere Gespräch mit dem Ehepaar Bonetti ergab nichts Neues. Es war mehr als deutlich, dass sie nicht sonderlich viel über das Privatleben ihres Sohnes wussten.
Beim Abschied zog der Anwalt einige Visitenkarten aus der Brusttasche seines Jacketts und überreichte ihnen je eine mit den Worten: »Ich möchte unterrichtet werden, sobald die Obduktion abgeschlossen ist. Sie können mich unter den Telefonnummern auf der Karte erreichen. Als Angehöriger will man natürlich wissen … ob er gelitten hat.«
Seine Stimme versagte fast bei diesem letzten Satz. Irene nickte und schaute ihm ernst in die Augen. Das kostete Kraft.
Sie hatten ihm noch nicht von den abgetrennten und verschwundenen Fingern erzählt. Vor dem Besuch hatten sie sich darauf geeinigt, mit diesem Detail zu warten, bis der endgültige Obduktionsbericht vorlag.
»Agneta hat gesagt, dass ihr am Wochenende zusammen Pilze pflücken wollt«, sagte Tommy.
Sie befanden sich auf dem Weg zurück ins Zentrum und waren in den üblen Freitagnachmittagsverkehr geraten.
»Ja, am Sonntag. Letztes Wochenende hat es nicht geklappt. Sie hatte wohl allerhand zu tun«, erwiderte Irene.
Tommy murmelte leise: »Das kann man wohl sagen.«
Aus einem für Irene nicht nachvollziehbaren Grund breitete sich ein Schweigen im Auto aus, das keiner von ihnen brach, bevor sie vor dem Präsidium einparkten. Tommy stellte den Motor ab und nahm den Schlüssel aus dem Zündschloss. Er holte tief Luft, als wollte er etwas sagen, überlegte es sich dann aber in letzter Sekunde anders.
»Nein, übrigens … sie soll mit dir reden«, meinte er und stieg aus.
Irene hatte Mühe, auf dem Weg zum Entrée mit ihm Schritt zu halten.
»Das bringt uns nicht sonderlich weiter«, stellte der Kommissar fest.
Er stützte die Ellbogen auf dem Tisch auf und presste die Fingerspitzen so fest zusammen, dass es in den Gelenken knackte.
»Nein. Aber ich fand, dass Bonetti irgendwie auf Styrsö reagierte. Ich habe vor, morgen noch einmal auf die Insel zu fahren«, sagte Irene.
»An einem Samstag? Glaubst du, das bringt was?«, fragte Tommy.
»Krister arbeitet dieses Wochenende. Ich kann Sammie mitnehmen. Oder nein … das ist vermutlich keine gute Idee. Annika Hermansson hat eine Katze.«
»Da fliegen dann die Fetzen!«, kicherte Andersson.
Er kannte die Geschichte von Sammie, der die Katze der Nachbarn totgebissen hatte, und von allen Verwicklungen, die daraus entstanden waren. Eine Hexe war ihnen bei der Lösung des Problems behilflich gewesen … Der Kommissar fand, dass es eine richtig unterhaltsame kleine Episode gewesen war, die sich da im Zusammenhang mit dem Mord an einer Pfarrersfamilie in Kullahult abgespielt hatte.
»Sammie muss zu Hause bleiben. Ja, ich glaube wirklich, es könnte was bringen. Mir kommt es so vor, als hätten wir etwas übersehen oder die Bedeutung eines Details nicht erkannt. Ihr wisst, wie es einem manchmal ergeht«, sagte sie.
Sowohl Tommy als auch Andersson nickten.
Krister hatte Freitagabend frei, musste aber Samstag und Sonntag arbeiten. Sie hatten Kerzen angezündet, die sich im schwach goldgelben Wein spiegelten. Vor ihnen auf den Tellern lagen gratinierte Krebse, eines ihrer Lieblingsgerichte. Der Duft von Dijonsenf, Sherry, Dill, Käse und Meer vereinigte sich zu einer Duftsinfonie, bei der einem das Wasser im Munde zusammenlief. Krister hob sein Glas und sah Irene in die Augen.
»Skål, meine Schöne, auf einen behaglichen Abend und ein herrliches Mahl«, sagte er.
Sie stießen an und befeuchteten mit dem kühlen Wein den Gaumen.
»Und dann habe ich noch eine gute Neuigkeit«, fuhr er fort und stellte das Glas hin.
»Erzähl«, forderte ihn Irene auf.
»Meine Schwester hat heute angerufen, und zwar Maggan, nicht Ulla. Sie wollen Papas Auto nicht haben, weil sie selber recht neue besitzen. Maggans Familie hat sogar zwei
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