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Der erste Verdacht

Der erste Verdacht

Titel: Der erste Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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dem nächsten Foto war ein sieben oder acht Jahre alter magerer Junge abgebildet. Er stand mit nacktem Oberkörper auf einem Steg und hielt eine Angel in der Hand. Lachend zeigte er eine Zahnlücke und den winzigen Fisch, den er gefangen hatte. Sein fast kreideweißes Haar wehte im Wind. Im Hintergrund war der Schuppen eines Fischers zu erkennen.
    Das letzte Foto zeigte einen ernsten jungen Mann mit weißer Studentenmütze. Er hatte zahlreiche Pickel in seinem bleichen Gesicht und schien sich in seinem Anzug und in der engen Mütze nicht wohl zu fühlen.
    In der oberen Diele stand das Fernrohr, aber Irene nahm sich nicht die Zeit hindurchzuschauen. Stattdessen durchquerte sie die Diele und öffnete die Tür zum zweiten Schlafzimmer.
    Hier roch es muffig, aber nicht schmutzig. Ein schmales Bett mit einem verblichenen, dunkelblauen Frotteeüberwurf stand an der einen Wand und ein IKEA-Kiefernschreibtisch mit einer rot lackierten Lampe vor dem Fenster. Die Tischplatte war bis auf einen Briefbeschwerer aus buntem Glas leer. Ein gewöhnlicher Küchenstuhl diente als Schreibtischstuhl. Auf dem Fensterbrett stand eine sonnengebleichte Pelargonie aus Plastik. Die Gardinen waren hellblau mit weißen Quadraten und passten zu dem verschlissenen Flickenteppich. Ein leeres Regal stand auf einer Kommode, wie auch Annika sie in ihrem Zimmer hatte, aber diese hier war dunkelblau lasiert. An der Wand hing ein Plakat mit der Überschrift »Zitronensäurezyklus« und kreisförmig angeordneten chemischen Formeln. Die Schubladen der Kommode sowie die beiden Schränke waren leer. Das Zimmer war aufgeräumt, hier hatte schon lange niemand mehr gewohnt. Hatte Annika geflunkert, als sie behauptet hatte, Billy helfe ihr?
    Irene verließ das Zimmer und ging die laut knarrende Treppe hinunter ins Erdgeschoss. Plötzlich hörte sie, wie die Haustür geöffnet wurde. Sie erstarrte mitten in der Bewegung und hielt den Atem an. Es konnte sich noch nicht um die Besatzung des Ambulanzbootes handeln. Außerdem hatte noch keiner angerufen.
    Da klingelte ihr Handy.
    »Hallo. Kriminalinspektorin Irene Huss«, sagte sie so laut, dass es bis zur Haustür zu hören sein würde.
    »Tobbe Johansson vom Ambulanzboot. Wir kommen gerade unter der Brücke nach Donsö durch. Können Sie sich jetzt vors Haus stellen?«
    »Ja.«
    Ein schmächtiger Mann starrte Irene erstaunt an. Sie erkannte ihn von der Fähre wieder, auf der an diesem trüben Tag nur wenige Passagiere gewesen waren. Er hielt eine Konsumtüte in der einen und eine große Segeltuchtasche in der anderen Hand. Seine khakifarbene Fjällrävenjacke mit dazu passenden Hosen zeigte, dass er wusste, wie man sich auf den Inseln bei diesem Wetter zu kleiden hatte. Die Kapuze war noch hochgezogen. Mit einem Knall ließ er die Plastiktüte und die Tasche fallen. Hastig schob er die Kapuze zurück. Sein dünnes rotblondes Haar war schütter und wies zwei ausgeprägte Geheimratsecken auf. Das Erstaunen in seinen hellen Augen verwandelte sich in Wut, als er fauchte: »Es war nicht zu überhören, dass Sie von der Polizei sind. Was wollen Sie hier?«
    Irene schaltete ihr Handy aus, bevor sie antwortete: »Ich habe Annika Hermansson gestern angerufen und mit ihr ausgemacht, dass wir uns heute hier treffen würden. Als ich ankam, fand ich sie auf dem Küchenfußboden. Sie ist gestürzt und hat sich den Arm gebrochen. Ich habe das Ambulanzboot bestellt und erhielt soeben von ihnen den Rückruf, dass sie gleich anlegen und ich vor dem Haus warten soll. Sie können ja solange zu ihr reingehen.«
    Er ließ sie vorbei, und sie trat ins Freie. Es war angenehm, endlich wieder frische Luft atmen zu können, und sie füllte die Lungen mit tiefen Atemzügen.
     
    »Wir gehen hoch in ihr Zimmer«, sagte Irene.
    Die Sanitäter hatten Annika Hermansson weggebracht. Unschlüssig stand Billy in der Küche. Sein bleiches Gesicht wirkte müde und gequält. Auf Irenes Vorschlag hin nickte er zustimmend.
    Irene setzte sich auf einen Stuhl, und Billy ließ sich aufs Bett fallen. Er wirkte verlegen. Sein großer Adamsapfel tanzte an seinem mageren Hals auf und nieder, als er nervös schluckte.
    »Es ist nicht so, wie Sie denken«, sagte er aggressiv.
    »Was denke ich denn?«, fragte Irene ruhig.
    »Dass mir meine Mutter egal ist … dass es mir egal ist, dass sie in diesem … Dreck hier lebt!«
    Eine hektische Röte breitete sich von seinem Hals über seine Wangen aus.
    »Es ist Ihnen also nicht egal«, stellte Irene fest.
    Er schluckte

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