Der erste Verdacht
ein paar Mal und fuhr dann fort: »Wir sind mit derselben Fähre gekommen, aber ich war noch einkaufen. Das tue ich immer. Aber sie erlaubt mir nicht zu putzen … sie will das nicht.«
Seine Stimme und sein Blick flehten um Verständnis. Irene wollte, dass er weitersprach, und fragte daher nur: »Warum nicht?«
Er senkte seinen Blick auf den fadenscheinigen Flickenteppich und schwieg lange. Schließlich seufzte er.
»Meine Lebensgefährtin … meine Mutter kann sie nicht ausstehen. Sie … also meine Mutter … flippte vollkommen aus, als Emma und ich zusammengezogen sind. Ich musste mich immer um meine Mutter kümmern. Sie trank schon, als ich klein war. Aber als Emma und ich … da war plötzlich alles aus! Das hier … dieses Elend ist ihre Rache. An mir.«
»Wie lange wohnen Emma und Sie schon zusammen?«
»Fast vier Jahre.«
»Aber Sie kaufen trotzdem Wein und Schnaps für Ihre Mutter«, stellte Irene fest.
Er zuckte mit den Achseln.
»Ich bin gezwungen. Sie weigert sich, das Haus zu verlassen. Helfe ich ihr nicht, dann lässt sie sich den Stoff von ihren alten Freunden besorgen. Diese so genannten Freunde verlangen eine beträchtliche Provision. Dann geht ihr ganzes Geld für Schnaps drauf. Ich fahre einmal oder zweimal die Woche zu ihr raus. Dann kaufe ich ihr den ganzen Alkohol und das Essen. Auf diese Art habe ich einen gewissen Überblick über ihre Finanzen.«
»Ich verstehe. Sie will also nichts gegen ihren Alkoholismus unternehmen?«
Billy verzog seinen Mund zu einem schiefen Lächeln.
»Sie kennen meine Mutter nicht.«
»Nicht sonderlich gut, das stimmt. Ich habe sie aber vor einer guten Woche kennen gelernt. Wir haben den Fall Thomas Bonetti wieder aufgerollt. Wie Sie wissen, wurde sein alter Kompagnon von ph.com, Philip Bergman, vor knapp drei Wochen ermordet. Ihre Mutter hatte an dem Abend, an dem Thomas zuletzt gesehen wurde, einige Beobachtungen gemacht. Ihre Zeugenaussage blieb jedoch damals unberücksichtigt … um ehrlich zu sein, war sie betrunken, als sie anrief. Deswegen hat sich damals niemand eingehender mit ihr befasst. Ich habe sie im Zuge der neuen Entwicklungen aufgesucht und mit ihr gesprochen, und dank ihrer Beobachtungen ist es uns gelungen, Thomas’ Leiche auf Branteskär zu finden.«
Billys Adamsapfel tanzte wie ein Jojo auf und ab, ehe es ihm gelang, die Sprache wiederzufinden.
»Ich habe davon gehört … von dem Fund, meine ich. Aber meine Mutter hat mir gegenüber mit keinem Wort erwähnt, dass Sie mit ihr gesprochen hatten. Ich wusste nicht, dass sie etwas Wichtiges gesehen hatte. Das Einzige, woran ich mich erinnere, ist, dass sie mir damals immer damit in den Ohren lag, dass sie Thomas’ Boot an jenem Abend gesehen hätte.«
»Hat sie nie davon gesprochen, dass jemand Nisses Seezeichen versetzt hätte?«
»Das ist das Einzige, wovon sie jetzt schon seit Jahren spricht.«
»Seit drei Jahren. Jemand hatte es tatsächlich versetzt. Thomas lag darunter. Der Mörder hatte ganz einfach die Leiche neben das Seezeichen gelegt und dann die Steine umgeschichtet. Nisses Seezeichen bewegte sich um etwas mehr als einen Meter. Ihre Mutter hatte Recht.«
Billy nickte.
»Sie ist eigentlich recht klug … sie hatte gute Noten in der Schule. Aber es waren viele Geschwister. Meine Großeltern wollten, dass sie zu arbeiten anfing. Dann wurde sie im ersten Sommer nach der Neunten schwanger. Mit mir. Und damit war auch die Sache mit dem Job vorbei. Gelegentlich half sie mal irgendwo aus. Und als sie Hasse traf, ging alles recht schnell.«
»Wer ist Hasse?«
»War. Hasse ist tot. Er hat sich vor sieben oder acht Jahren zu Tode getrunken. Betrauert von niemandem. Nicht einmal von meiner Mutter. Aber da hatte sie schon selbst angefangen, recht viel zu trinken.«
»Sie hatten also eine recht schwierige Kindheit?«, sagte Irene vorsichtig.
Er zuckte leicht mit seinen schmalen Schultern.
»Geht so. Ich hatte meine Großeltern. Man kann sagen, dass ich mehr oder minder bei ihnen aufgewachsen bin. Und dann habe ich auch Onkel und Tanten hier auf der Insel und viele Cousins und Cousinen. Aber dann starb mein Großvater vor zehn Jahren, und Großmutter erkrankte an Parkinson. Wenig später starb auch sie.«
»Was haben Sie für einen Beruf?«
»Ich bin Chemiker. Ich arbeite in Stenungsund, wohne aber in Kungälv.«
»Von dort ist es ziemlich weit nach Styrsö.«
»Ja, aber es geht.«
Irene überlegte, wie sie die letzten, unausweichlichen Fragen formulieren sollte, die sie
Weitere Kostenlose Bücher