Der erste Verdacht
…«
»Wohl kaum. Er wollte überhaupt keine Kinder! Ein Mann, der eine Vasektomie vornehmen lässt, wird genauestens darüber aufgeklärt und weiß, dass es sehr schwer ist, die Fertilität wieder herzustellen. Es ist so gut wie unmöglich. Er hatte sich also dafür entschieden, nach dem Eingriff keine Kinder zu bekommen. Ich spreche aus eigener Erfahrung.«
Irene sah ihn an und überlegte kurz. Jetzt war vermutlich der richtige Augenblick.
»Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich ins Fettnäpfchen getreten bin, was Kajsas und dein Verhältnis angeht. Zu meiner Verteidigung kann ich nur vorbringen, dass ich deine und Agnetas Ehe retten wollte. Und unsere Freundschaft. Also die Freundschaft zwischen Agneta, Krister, dir und mir. Ich hätte mir nicht in meinen wildesten Träumen ausmalen können, was los ist! Nicht bevor mir Agneta am Sonntag alles erzählt hat. Ich kann nur sagen, dass es mir sehr Leid tut, wenn ich Kajsa in Paris zu nahe getreten bin.«
Tommy seufzte und lächelte leicht.
»Da musst du schon mit ihr drüber reden. Zum Teil ist es auch meine Schuld. Ich hätte schon früher etwas sagen sollen. Aber ich hatte irgendwie keine Lust dazu. Noch nicht.«
»Ist Kajsa so etwas wie … ein kleiner Trost?«, erdreistete sich Irene zu fragen.
»Tja. Zur Zeit ist sie noch gar nichts. Nur eine nette Frau, die sich offenbar in mich verguckt hat, was schmeichelhaft ist. Das kann ich gebrauchen. Wir haben bisher erst einmal zusammen zu Mittag gegessen. Da habe ich ihr einen kleinen Kuss gegeben und sie anschließend umarmt. Das ist alles. Zufrieden?«
Die Ironie des letzten Wortes entging ihr nicht. Erneut spürte sie, wie ihre Ohren heiß wurden.
»Es war nicht meine Absicht herumzuschnüffeln …«
»Nicht? Das sähe dir auch gar nicht ähnlich«, sagte er scharf. Irene war richtig beleidigt. Sie schien also dafür bekannt zu sein, sich immer in Sachen einzumischen, die sie nichts angingen! Plötzlich erinnerte sie sich an Jonnys Worte: »Ein guter Ermittler steckt immer seine Nase in alles rein.« Und erneut schenkten ihr seine Worte umgehend Trost und Zuversicht. Sie war eine gute Ermittlerin. Sie hatte sofort gespürt, dass zwischen Tommy und Agneta irgendetwas nicht stimmte. Aber sie hatte wegen zu geringer Sachkenntnis übereilte Schlüsse gezogen. Mit anderen Worten war es genau so wie zu Beginn fast jeder Ermittlung gewesen.
Der Nachmittagsverkehr Richtung Långedrag war recht dicht. Irene ließ ihren Gedanken freien Lauf, während sie sich vom Verkehrsrhythmus leiten ließ. Marianne Bonetti hatte sie gebeten, wieder zu ihrem Haus zu kommen. Offenbar hegte sie einen großen Widerwillen dagegen, es zu verlassen. Irene hoffte, dass ihr Mann nicht zu Hause sein würde. Das hatte sie am Telefon nicht sagen können, als sie den Termin vereinbart hatten. Denn dann hätte der Anwalt beim Gespräch garantiert neben seiner Frau gesessen. Das wäre so sicher gewesen wie das Amen in der Kirche, wie es Irenes Mutter auszudrücken pflegte.
Einen Augenblick lang hatte sie ein schlechtes Gewissen. Es war lange her, seit sie mit ihrer Mutter gesprochen hatte, die derzeitigen Ermittlungen nahmen ihre ganze Zeit in Anspruch. Die Reise nach Paris hatte ja auch einen Tag länger gedauert als geplant. Außerdem war ihre Mutter mit ihrem Lebensgefährten Sture in der vergangenen Woche mit ihrem Pensionärsverein in Lübeck gewesen. Rentner schienen immer viel zu tun zu haben. Sture hatte ihre Mutter im vergangenen Sommer sogar dazu überredet, die Green Card im Golf zu erwerben, was während der Sauregurkenzeit sogar zu einer kleinen Meldung in der Göteborgs Posten geführt hatte: »Gerd macht ihre Green Card mit 75!« Ein Foto hatte ihre Mutter gezeigt, wie sie in lässiger Pose an der geliehenen Golftasche lehnte. Irene hatte den kleinen Artikel ausgeschnitten und mit einem Magneten am Kühlschrank befestigt. Einige Tage später waren sie nach Säffle gefahren, um auf die Beerdigung von Kristers Vater zu gehen.
Säffle, genau. Krister hatte an seinem freien Montag den Volvo geholt. Er war noch erstaunlich gut in Schuss, befand sich aber gerade zur Inspektion in der Werkstatt. Der Inhaber der Werkstatt war ein Freund von Krister. Die Bremsen mussten getestet und einige Verschleißteile ausgetauscht werden. Danach sei der Wagen wieder wie neu, hatte der Inhaber der Werkstatt versichert. Es gab ihr einen Stich ins Herz, wenn sie daran dachte, dass sie jetzt ihren alten Saab verkaufen würden, denn er hatte
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