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Der erste Verdacht

Der erste Verdacht

Titel: Der erste Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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informiert, dass das Unternehmen dem Konkurs nahe sei. Sie wollten nichts davon wissen. Das hatte er Antonio und mir bereits im Herbst erzählt. Er war wirklich sehr besorgt.«
    Irene beeilte sich, sie zu unterbrechen: »Können Sie sich erinnern, ob er an jenem Tag noch etwas anderes sagte?« Thomas’ Mutter schüttelte zuerst den Kopf, besann sich dann aber anders.
    »Er sagte, er wolle noch in das Systembolaget am Jaegerdorffsplatsen, weil wir fast keinen Whisky mehr zu Hause hatten. Daran erinnere ich mich noch ganz deutlich«, meinte sie eifrig.
    »Wie wirkte Thomas bei dieser letzten Begegnung?«
    Marianne traten Tränen in die Augen. Sie nahm die Brille ab und trocknete sich die Augen mit einem Taschentuch.
    »Er war … gestresst. Das war er immer. Er war immer in eine Menge wichtiger Geschäfte involviert, und dauernd riefen ihn Leute auf seinem Handy an.«
    »Rief ihn auch jemand an, als er seine Sachen für Styrsö zusammenpackte?«
    »Ja … da bin ich mir ziemlich sicher. Wie gesagt, klingelte sein Handy dauernd. Doch! Jetzt erinnere ich mich! Es rief auch ein Mann hier an und wollte ihn sprechen.«
    »Während er packte?«
    »Nein. Kurz nachdem er gefahren war. Ungefähr fünfzehn bis dreißig Minuten später.«
    »Erinnern Sie sich, wer das war?«
    »Nicht richtig … es ist so lange her … aber er war von irgendeiner Bank in England. Daran erinnere ich mich noch.«
    Marianne schien sich richtig darüber zu freuen, dass sie sich nach so langer Zeit noch daran erinnerte.
    »Wissen Sie, um welche Bank es sich handelte?«
    »Nein, nur dass es eine englische Bank war.«
    »Es ist nicht so leicht, sich an die Namen von englischen Banken zu erinnern, besonders wenn man gleichzeitig noch Englisch reden soll.«
    »Aber das brauchte ich nicht. Der Mann sprach Schwedisch.«
    »Ach? Aber dann hatte er doch wahrscheinlich auch einen schwedischen Namen?«
    Es war Marianne anzusehen, wie sehr sie ihr Gedächtnis bemühte. Schließlich schüttelte sie ihr schwarz gefärbtes, hochgestecktes Haar.
    »Nein. Er nannte seinen Namen nicht. Da bin ich mir in der Tat ganz sicher. Er sagte nur, er rufe im Auftrag der Bank an und wolle mit Thomas sprechen. Er wollte wissen, wo er zu erreichen sei.«
    »Und was haben Sie ihm geantwortet?«
    »Ich sagte, was ja auch stimmte, dass Thomas ein paar Tage Urlaub brauchte und zu unserem Sommerhaus gefahren sei. Dann gab ich dem Bankmenschen Thomas’ Handynummer.«
    »Haben Sie ihm gesagt, wo das Haus liegt?«
    »Natürlich nicht. Thomas hatte mich gebeten, niemandem zu sagen, wo er ist.«
    Irenes Nackenhaare sträubten sich. Sie war auf eine Fährte gestoßen. Irgendetwas stimmte nicht.
    »Sie haben sich nie gefragt, wie der Bankmensch aus England in den Besitz Ihrer Telefonnummer gelangt ist?«
    Marianne wirkte verdutzt.
    »Darüber habe ich nie nachgedacht. Vermutlich hatte Thomas sie ihm gegeben.«
    Warum sollte er einem wichtigen Gewährsmann bei einer Bank die Telefonnummer seiner Eltern und nicht seine eigene Handynummer geben? Da stimmte etwas nicht. Irene beschloss, die Sache erst mal auf sich beruhen zu lassen und Marianne nicht zu sehr unter Druck zu setzen. Sie war nett und versuchte wirklich zu helfen. Das war mehr, als man von den meisten Leuten sagen konnte, mit denen sie bei dieser Ermittlung bislang zu tun gehabt hatte.
    Also wechselte sie das Thema: »Warum haben Ihr Mann und Sie sich keine Sorgen gemacht, als Thomas verschwunden ist? Es vergingen fast zwei Monate, bis Sie ihn vermisst meldeten.«
    Das Schluchzen verwandelte sich rasch in heftiges Weinen mit sprudelnden Tränen. Irene musste ihr eine Serviette reichen, das Taschentuch war bereits vollkommen durchnässt.
    »Wir glaubten … wir glaubten, dass er … noch lebte«, kam es ihr schließlich stoßweise über die Lippen.
    Sie schnäuzte sich und atmete mehrmals tief ein und aus, um sich zu beruhigen. Mit zitternden Händen setzte sie ihre Brille auf und sah Irene durch die dicken Gläser an, die ihre verschwollenen Augen vergrößerten.
    »Das Päckchen … wir erhielten ein Päckchen«, sagte sie.
    Mit Mühe erhob sie sich und verschwand auf dem Flur. Irene hörte, wie die Dielen unter ihrem Gewicht knarrten, als sie von einem Zimmer ins nächste ging. Nach einer Weile kam sie mit einer kleinen braunen Pappschachtel zurück und überreichte sie Irene.
    »Machen Sie sie auf«, sagte sie.
    Irene klappte den Deckel auf. Zuoberst lag ein zusammengefaltetes Stück Papier. Irene stellte die Schachtel auf den

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