Der erste Versuch
renommierten Institut sie eigentlich die
Untersuchungen durchfuhren sollte, wegen Kapazitätsmangels
den Termin zu verschieben beabsichtigte. Sie griff den
Vorschlag, auf das europäische Berlin auszuweichen und dort
in den Humboldt-Laboratorien zu arbeiten, sofort auf;
schließlich wies die Information zum Verbleib des
möglicherweise richtigen Milans ebenfalls auf die Alte Welt
hin. Es wäre umständlicher gewesen und hätte wesentlich mehr
Zeit gekostet, von Amerika aus zu recherchieren und ans
Mittelmeer zu reisen, falls sich die Auskunft als richtig
herausstellte. Und sie konnte vom Raumhafen aus den
Ungarshuttle nehmen, den Zubringer nach Budapest, und von
dort war es ein Katzensprung nach Berlin.
Nach fast einem Tag auf Reede dockte die CALIFORNIA am
Orbitalhafen an.
Obwohl sich Alinas eine beträchtliche Ungeduld bemächtigt
hatte, die, je näher sie der Erde kamen, beinahe ins
Unerträgliche stieg, genoss die Rückkehrerin den
unfreiwilligen Aufenthalt im Orbit. Es war schon immer
wieder ein Erlebnis, den Heimatplaneten vorüberziehen zu
sehen, sich der großen Leistung der Menschen und gleichzeitig
ihrer Beschränktheit bewusst zu werden. Beides offenbarte
sich Alina in aller Deutlichkeit, wenn sie in ihre unmittelbare
Umgebung sah, wo sich nicht nur der Raumhafen mit all
seinen bizarren Elementen und der doppelt so große, noch
unfertige Anbau zur Kapazitätserweiterung ausbreiteten,
sondern, wenn sie den Blick in die Schwärze des Kosmos
richtete, millionenpunktig Sonnen…
Alina hatte insofern Glück, als sie einen Platz im
Vormittagsshuttle bekam. So konnte sie den Anflug, gleichsam
aus den Alpen heraus, mit Sicht auf den Balaton und Budapest,
in die Weite der Puszta hinein, genießen.
Es dauerte eine Weile, bis Alinas Anteil an der Fracht
aussortiert, in den Hermetikcontainern verstaut und die
Bürokratie befriedigt waren. Glücklicherweise wurde ihr
gestattet, die angeordneten vier Wochen Quarantäne in den
entsprechenden Einrichtungen Berlins besorgen zu lassen. Sie
informierte den dortigen Laborleiter, dass sie 14 Tage vor der
Freigabe der Proben anreisen und ihre Tätigkeit vorbereiten
würde, womit sie auf Entgegenkommen stieß.
Von Pusztamonostor aus, dem durch die Nähe des
Kosmodroms aufgeblühten Städtchen, fuhr Alina mit einem
Mietwagen nach Budapest, eigentlich in der Absicht – da sie
ohne ihre Proben mit der Arbeit nicht beginnen konnte und
somit über viel Zeit verfügte –, sich die geschichtsträchtige
Stadt anzuschaun, zu bummeln. Sie mietete sich im Hotel
„Kristall“ in unmittelbarer Nähe der Fischerbastei ein, erfreute
sich am herrlichen Panoramablick über die Donau hinweg nach
Pest, spazierte durch die Altstadt und genoss den Luxus der
Herberge. Allein – bereits am zweiten Tag wusste sie, dass ihre
innere Unruhe, ihre Spannung und auch die Ungewissheit, die
mit ihrem Vorhaben zusammenhingen, ihr einen längeren
Aufenthalt nicht gestatten würden.
Die Luftverbindung erwies sich als ungünstig. Nur zweimal
wöchentlich wurde die Strecke Budapest-Pula bedient, und sie
hätte weitere drei Tage zugeben müssen.
Alina überprüfte ihre nicht allzu üppige Barschaft, mietete
dennoch eine der teuren Eisenbahn-Reisekabinen, die
jedwedes Umsteigen ersparten, Bequemlichkeit boten und
einen Panoramablick ins Land gestatteten, schließlich ging die
Reise über Wien, die Alpen, Ljubljana, Triest und die Küste
der Adria entlang – Landschaften und Städte, die Alina nicht
kannte, die aber vom Hörensagen ihre Vorstellung geprägt
hatten. Außerdem, so dachte sie, nach den öden Weiten des
Mars würden ihr die Schönheiten der alten Erde gut tun.
Es herrschte freundliches Wetter und, mit Ausnahme in
Wien, naturbelassenes.
Am Abend fuhr der Zug in Triest ein, und da Alina ihr Ziel,
Pula, nicht mitten in der Nacht erreichen wollte, hatte sie
Reisepause gebucht. Sie verließ ihre Kabine zu einem
Spaziergang, den sie jedoch bald abbrach, und sie kalauerte:
der Name der Stadt sei in der Aussprache falsch betont! Nicht
Triest, sondern Trist müsste der Ort heißen. So entschloss sie
sich, beizeiten zu ruhen. „Wer weiß, was auf mich morgen
zukommt…“, sagte sie sich.
Aber lange floh Alina der Schlaf, obwohl sie sich unentwegt
einredete, es sei dieses Wiedersehn mit Milan ein reiner
Freundschaftsbeweis, und natürlich wolle sie auch ihre
Neugier befriedigen und erfahren, weshalb er seinen
ursprünglichen Plan aufgegeben und auf die 50 Jahre Schlaf
verzichtet hatte.
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