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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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KO­STÜM IN DER T URN­HAL­LE . Ich be­eil­te mich.
    In der Turn­hal­le wa­ren fünf Mäd­chen, die sich Ko­stü­me von ei­nem Sta­pel ge­nom­men hat­ten und sie an­pro­bier­ten. Zwei von ih­nen hal­fen ei­nem drit­ten in ei­ne Ver­klei­dung mit großen, pur­pur­nen Schwin­gen und setz­ten ihm ei­ne oran­ge­far­be­ne Vo­gel­mas­ke auf. Ein an­de­res Mäd­chen zog ge­ra­de ei­ne gol­de­ne Haut aus, weil ihm ein bes­se­res Ko­stüm ins Au­ge ge­fal­len war. Zwei Mäd­chen, die mit ei­nem Pelz und Gold­fisch­schup­pen be­klei­det wa­ren, stan­den vor dem Spie­gel und pro­bier­ten ki­chernd ein paar auf­rei­zen­de Po­sen aus. In der Re­gel wa­ren die Mäd­chen der Kar­mi­schen Bru­der­schaft ent­we­der mo­no­gam ver­an­lagt oder sehr wäh­le­risch. Sie hiel­ten all­ge­mein we­nig von dem Ge­dan­ken, Män­ner auf­zu­rei­zen und in ih­nen Lust­ge­füh­le zu er­zeu­gen, in­dem sie at­trak­tiv wir­ken woll­ten, denn das war un­et­hisch.
    Aber heu­te war der Tag der Ge­gen­sät­ze! Heu­te soll­ten sie sich vor ih­nen in acht neh­men!
    Ich schau­te in den Spie­gel und sah in mir einen großen, breit ge­bau­ten Bur­schen, des­sen Kno­chen sich un­ter der Haut ab­zeich­ne­ten. Ich war zwar nicht mehr so fett wie frü­her, aber ich hat­te im­mer noch di­cke, mus­kel­be­pack­te Ar­me, rie­si­ge Hän­de und ein rund­li­ches, un­schul­dig aus­se­hen­des Ge­sicht. Ich sah bei­na­he aus wie ein großes Kind.
    Was war nun mein Ge­gen­teil? Et­was Fins­te­res, Bös­ar­ti­ges und Grim­mi­ges. Ich un­ter­such­te den Ko­stüm­sta­pel.
    Das Mäd­chen mit der ge­streif­ten Kat­zen­mas­ke ku­schel­te sich an mich, rieb ihr ro­sa­far­be­nes, ge­streif­tes Fell ge­gen mei­ne Brust und schnurr­te. Sie war voll­stän­dig mit ei­nem wei­chen, sei­di­gen Pelz be­klei­det und duf­te­te nach ei­nem aphro­di­si­schen Par­füm. Ich hat­te das Ver­lan­gen, nach ihr zu grei­fen, aber dann at­me­te ich ru­hi­ger, ent­spann­te mei­ne Mus­keln und lang­te statt des­sen nach ei­nem Ko­stüm.
    Das Mäd­chen um­kreis­te mich und kam schon wie­der auf mich zu. Ich duck­te mich. „Nun mach mal halb­lang“, sag­te ich. „Ver­ge­wal­tigt wird erst um Mit­ter­nacht.“
    „Mii­iaaau­uu.“ Sie streck­te ih­re Fin­ger, die wie Kat­zen­kral­len aus­sa­hen, aus, als wol­le sie mich an­sprin­gen. Ihr Schnauz­bart sträub­te sich in ei­nem ro­sa­be­pelz­ten Kat­zen­ge­sicht.
    Ich stand auf ei­nem Bein und schob das an­de­re in ei­ne dunkle Strumpf­ho­se, als das Kat­zen­mäd­chen einen sei­di­gen Arm um mei­nen Hals leg­te und mich aus dem Gleich­ge­wicht zog. Ich be­kam ih­re Schul­ter zu fas­sen und stütz­te mich auf sie. Mit der an­de­ren Hand ver­such­te ich gleich­zei­tig in das en­ge Bein­kleid zu schlüp­fen. Sie krümm­te sich und schnurr­te und be­nahm sich wie ei­ne über­hei­ße Kat­ze, die je­man­den auf­rei­zen woll­te.
    Auf der Stra­ße wa­ren die Pfei­fen- und Trom­mel­klän­ge ei­ner vor­bei­mar­schie­ren­den Ka­pel­le zu hö­ren.
    „Nun laß mich end­lich in Ru­he“, sag­te ich. „Bit­te!“ Das Mäd­chen mit der Gold­fisch­haut kam mit wie­gen­den Schrit­ten zu uns hin­über und zerr­te das Kat­zen­mäd­chen von mir weg. Hys­te­risch ki­chernd stan­den die bei­den dann vor den Spie­geln, mach­ten ir­gend­wel­che Ges­ten und lach­ten über ihr ei­ge­nes Eben­bild.
    Ich krieg­te die schwar­ze Ho­se schließ­lich an und staf­fier­te mich mit gleich­far­be­nen Hand­schu­hen und ei­ner Ka­pu­ze mit Um­hang aus.
    Ich woll­te un­heim­lich aus­se­hen, aber mein Ge­sicht war noch im­mer ro­sa­far­ben und rund. Von Bös­ar­tig­keit war da kei­ne Spur. Ich steck­te die Fin­ger in Ge­sichts­far­be, mach­te einen schwarz und einen sil­bern, und da­mit mal­te ich dann schwarz­sil­ber­ne Strei­fen auf mei­ne Wan­gen und das Kinn. Im Spie­gel war ich nun ei­ne schwar­ze Ge­stalt mit ge­streif­tem Ge­sicht. Ich sah ziem­lich grim­mig und ab­strakt aus, wie ein Hen­ker, der Kö­ni­ge rich­tet. Ich leg­te noch ei­ne sil­ber­ne Au­gen­mas­ke an, die die obe­re Hälf­te mei­nes Ge­sichts ver­deck­te und es wie ein ab­strak­tes Mus­ter aus­se­hen ließ – wie das

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