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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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nicht aus­fin­dig ma­chen kön­nen.
    „Ge­or­ge San­ford“, sag­te ei­ne Stim­me. Ich wir­bel­te her­um und war so­fort kampf­be­reit.
    „Du öff­nest Ge­or­ge San­fords Päck­chen“, sag­te ein harm­lo­ser Gu­ru, der in sei­ner ei­ge­nen Post wühl­te. „Er­go muß die­ses zwei Me­ter große, schwar­ze Mons­ter Ge­or­ge San­ford sein, selbst wenn ich ihn in mei­ner Er­in­ne­rung im­mer noch als einen fet­ten jun­gen Bur­schen se­he, der für uns Bo­ten­gän­ge ge­macht hat. Ge­or­ge, ich mag dich. Du schläfst sehr oft hier. Warum schließt du dich nicht un­se­rer Kom­mu­ne an? Wir neh­men auch Er­wach­se­ne auf.“
    Bei dem Ge­dan­ken, daß er mich trotz mei­ner Ver­klei­dung er­kannt hat­te – im­mer­hin lau­er­ten ir­gend­wo ein paar Ara­ber mit ge­zück­ten Dol­chen auf mich –, lief es mir eis­kalt den Rücken her­un­ter. „Gu­ru“, sag­te ich auf­rich­tig, „ich ent­bie­te dir tiefs­ten Re­spekt und Dank­bar­keit für die­ses groß­zü­gi­ge An­ge­bot, aber heu­te bin ich Kö­nig Lö­we mit dem Schwar­zen Her­zen. Al­le Er­wach­se­nen­ge­schäf­te sind bis auf wei­te­res ver­scho­ben. Und sag nie­man­dem, wer in die­sem Ko­stüm steckt, in Ord­nung?“
    Die Leu­te in der Kar­mi­schen Bru­der­schaft strah­len zwar gu­te Vi­bra­tio­nen aus und sind auch sonst ganz in Ord­nung, aber ich hat­te in die­sem Mo­nat mei­nen ers­ten Job an­ge­nom­men, des­we­gen hat­te ich bis­her nur ganz kurz dar­über nach­ge­dacht, in ei­ner Kom­mu­ne seß­haft zu wer­den. Ich fühl­te mich noch nicht be­reit da­zu, all den un­ter­schied­li­chen Le­bens­wei­sen und Be­schäf­ti­gungs­mög­lich­kei­ten der an­de­ren Ge­mein­schaf­ten zu ent­sa­gen. Der Gu­ru lach­te, nick­te und öff­ne­te ei­nes der Päck­chen, die er mit der Post be­kom­men hat­te.
    Ich kehr­te in die Turn­hal­le zu­rück und über­re­de­te den Ver­wal­ter da­zu, den Stän­der auf­zu­schlie­ßen, in dem sich die Fecht­waf­fen be­fan­den. Ich wähl­te einen Übungs­sä­bel aus. Er war zwar nicht scharf, aber schwer ge­nug, um or­dent­li­che Schram­men zu er­zeu­gen. Im Spie­gel sah der ge­heim­nis­vol­le Rit­ter jetzt wie ei­ne große, mas­kier­te Ge­stalt mit ei­nem rie­si­gen, ge­fähr­li­chen Sil­ber­schwert aus.
    Ich ging in das hel­le Son­nen­licht hin­aus und misch­te mich un­ter die quir­len­de Men­ge in ih­ren far­ben­präch­ti­gen Ko­stü­men, die in­ein­an­der über­ge­hen­den Me­lo­di­en und das Ge­trom­mel mar­schie­ren­der Ka­pel­len und zwi­schen die Kar­ren, auf den Bür­ger­stei­gen ab­ge­hal­te­nen Spie­le und die Ge­rü­che der in den Kom­mu­nen ge­ba­cke­nen Le­cke­rei­en. Ich kam an ei­nem Stand vor­bei, an dem man sich die Zu­kunft weis­sa­gen las­sen konn­te, und zwi­schen den an­ti­ken Hin­weis­schil­dern und Sym­bo­len war auch ein mo­der­ne­res: DU BIST NICHT AL­LEIN! TU DICH MIT DE­NEN ZU­SAM­MEN, DIE SO LE­BEN WOL­LEN WIE DU! SUCH DIR EI­NE KOM­MU­NE UND EINEN GE­FÄHR­TEN! KON­SUL­TIE­RE DEN COM­PU­TER­PART­NER­SCHAFTS­DIENST! Ich lach­te und ging wei­ter. Ich brauch­te ei­ne Kom­mu­ne, aber nicht ge­ra­de wäh­rend der Kar­ne­vals­ta­ge. In die­ser Zeit ver­sucht je­der ein an­de­rer zu sein und sucht in dem Ge­wim­mel nach sei­nem Ge­gen­stück. Man sucht Aben­teu­er und über­läßt es ganz dem Zu­fall, wel­cher mas­kier­ten Ge­stalt man be­geg­net.
    Das freu­di­ge Ge­fühl der Kar­ne­valsat­mo­sphä­re trieb mich wei­ter. Ich mar­schier­te im Rhyth­mus der Trom­mel­schlä­ge, oh­ne mich dar­um zu küm­mern, wo­hin ich ging. An der ers­ten Kreu­zung zeig­te der öf­fent­li­che TV-Schirm über den Bäu­men Sze­nen des kar­ne­va­lis­ti­schen Trei­bens aus al­len Tei­len der Stadt: Pa­ra­den, Um­zü­ge und Ar­tis­ten. Dann über­trug er die Be­kannt­ma­chung ei­ner Show, die im Co­los­se­um statt­fand: ein rea­lis­ti­scher Kampf, Wi­kin­ger ge­gen In­dia­ner! Ei­ne Wel­le von Men­schen setz­te sich in Rich­tung Ober­stadt in Be­we­gung.
    Ich ließ mich von der Men­ge mit­zie­hen. Als ich sah, daß wir uns in der Nä­he der Kom­mu­ne be­fan­den, die dem Krea­ti­ven Ana­chro­nis­mus frön­te, ging ich durch

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