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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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das of­fe­ne Tor hin­ein. Wie üb­lich don­ner­ten auch dies­mal die me­cha­ni­schen Übungs­pfer­de auf ih­ren Schie­nen tal­wärts, aber heu­te sa­ßen Au­ßen­sei­ter auf dem „Rücken“ der künst­li­chen Reit­tie­re und ver­such­ten ein­an­der aus dem Sat­tel zu he­ben. Sie hiel­ten Lan­zen mit Box­hand­schu­hen in den Hän­den und zahl­ten pro Ritt einen Dol­lar.
    Ein klei­ner Stand ver­kün­de­te, daß es hier ein MIT­TEL­AL­TER­LI­CHES FRÜH­STÜCK gab. In der Hoff­nung, daß es ei­ne an­stän­di­ge Fleisch­ra­ti­on gab, zahl­te ich fünf­zig Cent. Die ko­stü­mier­te Da­me hin­ter der The­ke nahm mein Geld und gab mir ei­ne Scha­le mit ir­gend­ei­nem halb­flüs­si­gen, brau­nen Zeug. „Was ist das denn?“ Ich pro­bier­te es, aber das Zeug schmeck­te bei­na­he nach gar nichts.
    „Ge­sot­te­ner Wei­zen, Ha­fer und Gers­te mit Was­ser; es heißt Schleim­sup­pe“, sag­te sie und reich­te mir freund­li­cher­wei­se noch et­was Ho­nig und Sah­ne, da­mit ich über­haupt einen Ge­schmack auf die Zun­ge be­kam. Mit der Früh­stücks­scha­le in der Hand nahm ich im Park der Kom­mu­ne auf ei­ner Bank Platz.
    Wäh­rend ich da saß, kam Adolf Hit­ler mit sei­nem klei­nen Schnurr­bart zu­sam­men mit ei­nem Sul­tan in Tur­ban und Plu­der ho­sen auf mich zu. Die bei­den hat­ten das glei­che Früh­stück er­stan­den und setz­ten sich ne­ben mich. Als wir fer­tig wa­ren, for­der­te Adolf Hit­ler mich zum Kampf her­aus. Wir zahl­ten bei­de einen Dol­lar und klet­ter­ten auf die imi­tier­ten Pfer­de.
    Mein Gaul rat­ter­te den Hü­gel hin­auf und schau­kel­te da­bei auf sei­nen un­re­gel­mä­ßig ge­form­ten Bei­nen wie ein al­ter Klep­per. Am En­de der Schie­ne mach­te er ei­ne Wen­dung, dann jag­te er mit Voll­dampf den Berg hin­ab. Ich stieß einen lau­ten Kampf­schrei aus. Das an­de­re Pferd kam auf mich zu, aber der Mann, der sich als Hit­ler ver­klei­det hat­te, senk­te schon die Lan­ze und sah ziem­lich grim­mig aus. Mein Gaul schwank­te und bock­te, wes­we­gen es mir schwer­fiel, rich­tig auf ihn zu zie­len. Der Hand­schuh am En­de mei­ner Lan­ze traf ihn ge­nau vor die Brust und warf ihn nach hin­ten weg vom Pferd. Sei­ne Lan­ze traf mei­ne Schul­ter, ver­fing sich in dem Ket­ten­hemd und riß mich eben­falls zu Bo­den. Er hat­te Glück ge­habt, denn ich brach­te si­cher­lich fünf­zig Pfund mehr auf die Waa­ge als der an­de­re.
    Wir tra­fen zu glei­cher Zeit am Bo­den auf. Wir er­ho­ben uns, rie­ben un­se­re Schram­men und ga­ben die Lan­zen an die nächs­ten Wett­kämp­fer wei­ter. Am Ran­de des Parks fing ei­ne Rei­he von Mön­chen in grü­nen Kut­ten an, einen Kreis zu bil­den. Sie san­gen und tru­gen Ker­zen mit sich her­um, und ein paar Leu­te in brau­nen Bein­klei­dern und Lei­nen­hem­den spritz­ten aus­ein­an­der und ar­ran­gier­ten auf dem Gras ro­te Plas­tik­deck­chen, die fast wie klei­ne Läu­fer aus­sa­hen. Sie ver­ban­den die Din­ger mit ir­gend­wel­chen Schnü­ren, die über den Gras­bo­den lie­fen. Dann leuch­te­ten die run­den Deck­chen auf, und ro­te und gel­be Plas­tik­bän­der stie­gen wie Flam­men wel­len­för­mig in die Luft. Ko­stü­mier­te jun­ge Leu­te be­gan­nen nach ei­nem Lied zu sin­gen, nah­men sich bei den Hän­den, bil­de­ten einen Kreis und tanz­ten.
    Ich ken­ne ei­ni­ge An­ge­hö­ri­ge die­ser Kom­mu­ne, aber an die­sem Tag er­kann­te ich nie­man­den wie­der. „Komm, tanz mit“, rief mir ein grü­nes Mäd­chen zu. Sie ließ das ne­ben ihr ste­hen­de Mäd­chen los, öff­ne­te den Kreis für mich und wink­te mir zu.
    Ich schüt­tel­te den Kopf. „Kann nicht. Ich bin kein Mit­glied.“ Sie tanz­te wei­ter, nahm die Hand der an­de­ren und schloß den Kreis wie­der.
    Ein bär­ti­ger Mann mit ei­ner grü­nen Ka­pu­ze leg­te sei­ne Hand auf mei­nen Arm. „Der Mit­ter­nachts­ri­tus des Grü­nen Wolfs steht je­dem Frei­wil­li­gen of­fen“, sag­te er. „Du kannst ru­hig kom­men.“
    „Um was geht es bei die­sem Tanz?“ frag­te ich.
    Er er­klär­te es mir. „Der Tanz ehrt die Son­ne für ih­ren längs­ten Tag. Mit den Feu­ern zö­gern wir das Ta­ges­licht hin­aus. Die kür­zes­te dunkle Nacht des Jah­res. Um Mit­ter­nacht

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