Der Esper und die Stadt
huldigen wir der Dunkelheit. Wir reichen Wein, schalten alle Lichter aus und veranstalten eine mitternächtliche Fruchtbarkeitsparty. Es lohnt sich, darauf zu warten.“
Der Kreis der Tänzer bildete nun ein S zwischen den imitierten Feuern und stimmte einen druidischen Gesang an. „Tot, tot, speise das Licht, halte die Dunkelheit der Nacht von uns fern.“ Sie erreichten das Ende und kehrten wieder an ihren Ausgangspunkt zurück, wo sie sich wieder in alle Richtungen ergossen. „Tot, tot, tot, speise das Licht.“
„Hört sich großartig an“, sagte ich, „aber ich bin kein echter Mediaevalist.“
„Das bist du doch“, sagte der Mann und schob mich den anderen entgegen. „Du bist der Größte Finstere Ritter des Jahres.“
Ich nahm die Hand einer grünen Nymphe und einer mittelalterlichen Dame und spürte augenblicklich ein Ziehen, das meine Arme ausbreitete und mich mit den anderen seitwärts laufen ließ. „Speise das Licht. Halte die Dunkelheit der Nacht von uns fern.“ Ich versuchte, um eines der großen imitierten Feuer, dessen hellrote und orangene Flammenbänder wellig tanzten, herumzulaufen. Man zog mich jedoch genau darauf zu, und als ich ausweichen wollte, zerrte ich ein paar Leute hinter mir her. Die beiden, die mir am nächsten waren, landeten inmitten des künstlichen Feuers und kreischten vor Aufregung und Anstrengung; schließlich rutschten sie aus und wateten bis zu den Knien in den aufragenden Bändern. „Tot, tot, tot.“ Sie ließen meine Hand los und verließen den Kreis. Die Übriggebliebenen liefen schneller, schlossen auf. Dann ging das Spiel von neuem los. Wer in die künstlichen Flammen trat, mußte ausscheiden. Der Kreis wurde immer kleiner, der Tanz wurde schneller und schneller. Wir schwitzten und sangen, sprangen hin und her und versuchten alles, um über die kleinen und großen Feuer, deren flackernde Bänder tanzten und wie Flammen funkelten, hinwegzuspringen.
TOT TOT TOT – SPEISE DAS LICHT, HALTE DIE DUNKELHEIT DER NACHT VON UNS FERN. Nur noch drei Paare sind übrig. Wir verkürzen die Linie zu einem S; ein Sprung über die beiden größten Feuer – und ziehen, tanzen, seitwärts hüpfen. Ein Sprung über die Flammen, dann die Landung auf dem kühlen Grün der anderen Seite. Mit einem Aufschrei landeten zwei der Tänzer in den Feuerbändern, badeten kreischend in den unechten Flammen und schieden aus, um sich zu den singenden Zuschauern zu gesellen. Jetzt war außer mir und meiner kleinen, grünen Nymphe nur noch ein anderes Pärchen übrig. Wir sprangen hin und her über eines der kleineren Lagerfeuer und machten gewaltige Sätze und hielten uns fest. Die anderen klatschten rhythmisch und sangen. Meine grüne Nymphe steckte von oben bis unten in grünen Seidenblättern, die bei jedem Sprung raschelten. Sie blieb in meiner Nähe und ließ meine Hand nicht los. Das letzte Paar, das mit uns sprang, begab sich an ein größeres Lagerfeuer. Jubel und Kreischen zeigte an, daß sie es nicht geschafft hatten. „Tot, tot, speise das Licht.“ Wir wirbelten herum, um uns das letzte Feuer anzusehen, hohe, helle Plastikbänder in Rosa und Orange, Gelb und Rot. Wir liefen darauf zu. Meine Begleiterin zögerte. Ich sprang, hielt ihre Hand. Ich traf auf der anderen Seite auf dem Boden auf und zog sie von den Flammen weg in meine Arme.
Sie war zierlich, weich, seidig und wohlgeformt und hatte ein ebenmäßiges, grünes Gesicht und trug einen frechen Ausdruck zur Schau. Ihre Augenbrauen unter der grünen Farbe waren blond, und sie hatte blaue Augen und eine kurze Nase wie ich. Ihr Haar wurde von einer seidigen, grünen Blätterkappe bedeckt. Ich setzte sie langsam ab, und die Zuschauer stimmten ein Lied über den König des Sommerkorns an. Wir waren über
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