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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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das größ­te Feu­er ge­sprun­gen, nun war der Tanz vor­bei. Leu­te in Ko­stü­men schwärm­ten an den Im­biß­stand oder reih­ten sich für einen Ritt mit den Tur­nier­pfer­den auf.
    „Komm heu­te abend um elf zu­rück, Schwar­zer Rit­ter“, sag­te ein ka­pu­zen­be­wehr­ter, grün­ge­klei­de­ter Mönch. „Dann tan­zen wir fürs Fern­se­hen.“ Die grü­ne Nym­phe nahm mei­ne Hand und zog mich auf den Bür­ger­steig hin­aus. Auf den Stra­ßen don­ner­te ein wil­der Trom­mel­wir­bel, den ich von ei­ner Schall­plat­te her kann­te, die Som­mer­son­nen­wen­de, ei­ne Be­gleit­mu­sik für Or­gi­en hieß. Mei­ne grü­ne Nym­phe sag­te: „Wer bist du?“
    „Ich bin Kö­nig Lö­we mit dem Schwar­zen Her­zen. Und wer bist du?“ Ich küß­te sie auf die Na­se, oh­ne an­zu­hal­ten.
    „Ich bin ei­ne Drya­de aus den ge­hei­lig­ten Wäl­dern, Hü­geln und Grot­ten“, sag­te sie. „Be­tre­te mei­ne Höh­le, und du glaubst, daß zehn Jah­re ver­gan­gen sind, wenn du in ei­ne ver­än­der­te Welt hin­aus­gehst.“
    „’s ist ein Zau­ber“, sag­te ich. „Ich ha­be ihn schon aus­pro­biert.“
    Sie schau­te zu mir auf, ganz Dreis­tig­keit und Keck­heit. „Wenn du der ver­zau­ber­te Rit­ter bist, der ein­sam durch die Welt bum­melt, dann kann ich dir sa­gen, daß die Bel­le Da­me Sans Mer­ci mei­ne Mut­ter war und ich noch ein paar Tricks ken­ne, die dich noch mehr ver­schüch­tern wer­den.“ Sie be­tas­te­te mei­nen Arm. „Du fällst ja bald vom Flei­sche. Laß uns in mei­ne Höh­le ge­hen.“ Es wa­ren al­ler­lei Ge­rü­che in der Luft: von heißem Ku­chen, Cur­ry, Zimt und Mus­kat.
    Vor uns war Ma­cy’s Pla­za; wir lie­ßen uns von der Men­ge mit­zie­hen. Hin­ter uns tauch­te ei­ne Pa­ra­de rö­mi­scher Sol­da­ten auf, die schmut­zi­ge Lie­der in La­tein und Eng­lisch schmet­ter­ten und die Leu­te in ei­ner großen Wo­ge vor sich her­scho­ben. Der TV-Schirm, der über Ma­cy’s Pla­za hing, mel­de­te, daß man um 10:15 Uhr ein rö­mi­sches Mi­li­tär­ma­nö­ver ab­hal­ten wür­de. Da muß­te sich die Ar­mee aber be­ei­len! Im Gleich­schritt mar­schier­te sie hin­ter uns her. Die Men­ge wur­de nun dich­ter, die Leu­te stan­den en­ger zu­sam­men. Wir lös­ten uns aus dem Ge­wirr, und ich lief – das Mäd­chen an der Hand – an ei­ner Baum­grup­pe und ei­nem Grün­gür­tel vor­bei, um die He­li­ko­pter­platt­form zu er­klim­men und mich um­zu­se­hen. Über der Platt­form schweb­te ei­ne Po­li­zei­ma­schi­ne. Mein Arm­band­sen­der summ­te und ver­setz­te mir leich­te elek­tri­sche Schlä­ge, um mei­ne Auf­merk­sam­keit zu er­re­gen. Ich hielt mir das Ding ans Ohr und drück­te einen Knopf.
    „Wer von de­nen da un­ten bist du, Ge­or­ge? Wir emp­fan­gen dei­nen Sum­mer. Wink dem Ko­pter zu.“ Es war die Stim­me von Ann, Ah­meds Freun­din. Da ich kei­ne Lust hat­te, an ei­nem sol­chen Tag für die Ret­tungs­bri­ga­de zu ar­bei­ten, mach­te ich im ers­ten Au­gen­blick kei­ne Be­we­gung, son­dern sah mir nur die bei­den Ge­sich­ter an, die vom He­li­ko­pter aus her­un­ter­sa­hen. Ah­med ar­bei­te­te heu­te. Er wür­de dar­auf be­ste­hen, daß ich ihm half. Er wür­de mich da­zu krie­gen, daß ich mich auf ir­gend­wel­che Leu­te in der Men­ge ein­stimm­te, die in Schwie­rig­kei­ten wa­ren. Aber wenn das Un­ter­be­wußt­sein et­was ar­ran­giert, kann man sich schwer­lich da­ge­gen weh­ren. Ich war hier, oh­ne es ge­plant zu ha­ben. Das schi­en mir et­was zu be­deu­ten.
    „In dem Ko­pter da sind ein paar Freun­de von mir“, sag­te ich zu der grü­nen Nym­phe. Ich be­frei­te mei­ne Hand aus ih­rem Griff und wink­te mit bei­den Ar­men zu ih­nen hin­auf.
    Der Ko­pter ließ ei­ne Lei­ter hin­un­ter. „Komm an Bord, Ge­or­ge!“ rief der ma­ge­re, ro­te Sa­tan. „Bring dei­ne Freun­din mit!“ Hin­ter ihm wink­te Ann. Wie mei­ne Nym­phe war auch sie ganz in Grün ge­klei­det, aber das son­nen­ge­bräun­te Ge­sicht war ihr ei­ge­nes.
    Wäh­rend das Brül­len des la­tei­ni­schen Ge­sangs im­mer nä­her kam, zerr­te ich am Arm mei­nes Mäd­chens. Die Ar­mee wink­te mit Plas­tik­schwer­tern und war mit le­der­nen Brust­pan­zern und San­da­len be­klei­det.

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