Der Esper und die Stadt
das größte Feuer gesprungen, nun war der Tanz vorbei. Leute in Kostümen schwärmten an den Imbißstand oder reihten sich für einen Ritt mit den Turnierpferden auf.
„Komm heute abend um elf zurück, Schwarzer Ritter“, sagte ein kapuzenbewehrter, grüngekleideter Mönch. „Dann tanzen wir fürs Fernsehen.“ Die grüne Nymphe nahm meine Hand und zog mich auf den Bürgersteig hinaus. Auf den Straßen donnerte ein wilder Trommelwirbel, den ich von einer Schallplatte her kannte, die Sommersonnenwende, eine Begleitmusik für Orgien hieß. Meine grüne Nymphe sagte: „Wer bist du?“
„Ich bin König Löwe mit dem Schwarzen Herzen. Und wer bist du?“ Ich küßte sie auf die Nase, ohne anzuhalten.
„Ich bin eine Dryade aus den geheiligten Wäldern, Hügeln und Grotten“, sagte sie. „Betrete meine Höhle, und du glaubst, daß zehn Jahre vergangen sind, wenn du in eine veränderte Welt hinausgehst.“
„’s ist ein Zauber“, sagte ich. „Ich habe ihn schon ausprobiert.“
Sie schaute zu mir auf, ganz Dreistigkeit und Keckheit. „Wenn du der verzauberte Ritter bist, der einsam durch die Welt bummelt, dann kann ich dir sagen, daß die Belle Dame Sans Merci meine Mutter war und ich noch ein paar Tricks kenne, die dich noch mehr verschüchtern werden.“ Sie betastete meinen Arm. „Du fällst ja bald vom Fleische. Laß uns in meine Höhle gehen.“ Es waren allerlei Gerüche in der Luft: von heißem Kuchen, Curry, Zimt und Muskat.
Vor uns war Macy’s Plaza; wir ließen uns von der Menge mitziehen. Hinter uns tauchte eine Parade römischer Soldaten auf, die schmutzige Lieder in Latein und Englisch schmetterten und die Leute in einer großen Woge vor sich herschoben. Der TV-Schirm, der über Macy’s Plaza hing, meldete, daß man um 10:15 Uhr ein römisches Militärmanöver abhalten würde. Da mußte sich die Armee aber beeilen! Im Gleichschritt marschierte sie hinter uns her. Die Menge wurde nun dichter, die Leute standen enger zusammen. Wir lösten uns aus dem Gewirr, und ich lief – das Mädchen an der Hand – an einer Baumgruppe und einem Grüngürtel vorbei, um die Helikopterplattform zu erklimmen und mich umzusehen. Über der Plattform schwebte eine Polizeimaschine. Mein Armbandsender summte und versetzte mir leichte elektrische Schläge, um meine Aufmerksamkeit zu erregen. Ich hielt mir das Ding ans Ohr und drückte einen Knopf.
„Wer von denen da unten bist du, George? Wir empfangen deinen Summer. Wink dem Kopter zu.“ Es war die Stimme von Ann, Ahmeds Freundin. Da ich keine Lust hatte, an einem solchen Tag für die Rettungsbrigade zu arbeiten, machte ich im ersten Augenblick keine Bewegung, sondern sah mir nur die beiden Gesichter an, die vom Helikopter aus heruntersahen. Ahmed arbeitete heute. Er würde darauf bestehen, daß ich ihm half. Er würde mich dazu kriegen, daß ich mich auf irgendwelche Leute in der Menge einstimmte, die in Schwierigkeiten waren. Aber wenn das Unterbewußtsein etwas arrangiert, kann man sich schwerlich dagegen wehren. Ich war hier, ohne es geplant zu haben. Das schien mir etwas zu bedeuten.
„In dem Kopter da sind ein paar Freunde von mir“, sagte ich zu der grünen Nymphe. Ich befreite meine Hand aus ihrem Griff und winkte mit beiden Armen zu ihnen hinauf.
Der Kopter ließ eine Leiter hinunter. „Komm an Bord, George!“ rief der magere, rote Satan. „Bring deine Freundin mit!“ Hinter ihm winkte Ann. Wie meine Nymphe war auch sie ganz in Grün gekleidet, aber das sonnengebräunte Gesicht war ihr eigenes.
Während das Brüllen des lateinischen Gesangs immer näher kam, zerrte ich am Arm meines Mädchens. Die Armee winkte mit Plastikschwertern und war mit ledernen Brustpanzern und Sandalen bekleidet.
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