Der Esper und die Stadt
startenden Raumschiffes. Es war weit von uns entfernt.
„Sie machen es sehr realistisch“, sagte Ann mit ihrer weichen Stimme. „All dieses künstliche Blut … Und auch das Ding, das sie da hochhalten. Es sieht aus wie ein Herz.“ Und dann verstummte sie, als sei ihr in einem Moment des Verstehens die Luft weggeblieben.
„Pssst“, machte Ahmed. „Ich zeichne das auf, damit wir es uns noch einmal ansehen können. Wenn die glauben, sie kämen damit durch, haben sie sich aber heftig in den Finger geschnitten.“
Ich drehte mich um und vermied es, mir die Szene ein zweites Mal anzusehen. Statt dessen versuchte ich zu ergründen, was momentan in Judd Oslos Büro vor sich ging. Der Chef der Rettungsbrigade stritt sich gerade mit einem Polizeichef, dessen Abbild auf einem vor ihm stehenden TV-Schirm sichtbar war. „Wir haben eine Notambulanz mit einem Ärzteteam in der Luft“, sagte er gerade. „Wenn es um einen Menschen geht, der Hilfe und ärztlichen Beistand braucht, haben wir auch das allgemeine Recht, in die Kommune einzudringen. Der Experte sagt außerdem, daß es zu den Traditionen der Azteken gehört, Gefangene zu opfern – speziell gefangene Könige. Und wir vermissen Akbar Hisham, der doch so etwas wie der König der arabischen Enklave ist, stimmt’s? Sie können uns ohne weiteres eine Vollmacht geben.“
„Nein“, widersprach der andere Mann. „Nein, das können wir nicht. Wir wissen nicht einmal, ob das Opfer ein Außenstehender ist. Die Azteken sind keine echten Indianer, sondern Psychopathen. Das Opfer könnte durchaus ein Freiwilliger gewesen sein. Fragen Sie Ihre ESP-Experten.“
Ich ging näher an unseren Schirm heran und drückte den Signalgeber. Der Polizeichef sah mich durch den Bildschirm in Judds Büro an.
„Mein Name ist Sanford; ich bin für den Empathie-Empfang zuständig.“
„Freut mich, Sie kennenzulernen, Sanford. Wenn ich Ihnen eine Liste vermißter Personen vorlesen würde, könnten Sie mir dann sagen, welche davon gerade umgebracht worden ist?“
„Nein, Sir.“
„Nun, was können Sie dann?“
„Ich kann Ihnen sagen, was die noch lebenden Vermißten fühlen – und wo sie sind“, sagte ich. „Ich bin mir nicht sicher, ob Tote überhaupt Gefühle haben. Vielleicht könnte ich mich in einen Toten einstimmen, dem man gerade das Herz herausgeschnitten hat, aber ich habe nicht vor, so was zu versuchen.“
„Okay“, sagte der Polizeichef. „Aber damit sind uns die Hände gebunden. Ehe wir die Leiche nicht als die eines unserer Rechtsprechung unterliegenden Außenstehenden identifiziert haben, können wir nichts machen.“
„Wenn wir den Mann kriegen und wiedererwecken könnten, könnte er sich selbst identifizieren. Ein Tod durch raschen Blutverlust ist nur ein Scheintod. Man könnte ihn in zwei Stunden zurückholen. Wir müßten ihn innerhalb von eineinhalb Stunden an ein künstliches Herz anschließen, und die Rettungsaktion dürfte nicht mehr als vierzig Minuten betragen“, sagte Judd.
Der Polizeichef sagte: „Wäre jemand in der Nähe der Pyramide in der Luft und könnte mit einem Düsengürtel auf die Spitze springen, so könnte er sich eine Puppe schnappen. Strohpuppendiebstahl wird nicht besonders hoch bestraft. Aber wenn ein Polizeibeamter so was täte, würde die Hölle los sein. Es wäre ein Angriff auf die Rechte der Gemeinschaft. Ich muß dergleichen Aktionen also unter allen Umständen verbieten, haben Sie mich verstanden?“
„Schon aufgezeichnet“, versicherte Judd ihm. „Für die Unterlagen.“ Er wandte sich zu unserem Schirm um und sah uns an. „Es wäre schon ein Drama, wenn einer von euch rein zufällig über der Aztekenpyramide aus dem Kopter fiele. Das wäre
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