Der Esper und die Stadt
in das Brüllen des Windes hinein. Und damit auf das Band noch was drauf kam: „Ich kann die Radarantenne nicht sehen!“
Als ich nach unten schaute, sah ich, wie die Pyramide groß und dicht unter uns dahinglitt. „Ich werde mal nachsehen“, rief ich, ohne die Radarantenne damit zu meinen, und ließ los.
Von meinem Gewicht befreit, machte der Kopter sofort einen Sprung in die Höhe. Ich fiel rücklings durch das Nichts und suchte nach dem Brustring des Düsengürtels, der auf meinem Rücken befestigt war. Er steckte unter den Extradüsen auf meiner Vorderseite. Tastend schob ich meine Hand unter den Harnisch. In der Ferne sah ich den Ambulanzhubschrauber kreisen. Ich zog fest an dem Ring. Die Schulterdüsen stießen ein schrilles Zischen aus und brachten mich in eine aufrechte Lage. Ich hing in der Luft wie ein Stehender; Gurte unter den Armbeugen, um die Brust und den Oberschenkeln trugen mein Gewicht.
Eine große, steinerne Nadel neben mir – der gigantische Zeiger der Sonnenuhr. Ich knickte für die Landung die Knie ein und fiel auf einen Stapel von Strohpuppen. Eine von ihnen, die gerade enthauptet worden war, rollte an mir vorbei und fiel die steilen Stufen hinab.
Die Stufen gingen an einer Seite runter, aber die Seiten bestanden aus metertiefen Blöcken, wie Stufen für einen Riesen, und ich befand mich auf dem zweiten Block von der Spitze aus gerechnet, wo vier Priester standen. Weiße Augen in braun angemalten Gesichtern sahen mich an. Sie waren immer noch vom rotbraunen Blut des Menschen bespritzt, den sie gerade umgebracht hatten.
Die hemdenlosen, nachgemachten Indianer, die den Priestern halfen, sahen brutal und stark aus.
Damit ich mich schneller bewegen konnte, legte ich die überzählige Düsenausrüstung ab. Ich wollte sie lieber austricksen als mit ihnen kämpfen. Die Sonne brach sich auf den Steinen und den leuchtenden Kostümen. Der Wind wehte wärmer. Ich öffnete mich den Vibrationen und Gefühlen und schrie: „Wo ist der Körper des Königs?“ Dann ließ ich alles in mich hineinströmen.
Einen Moment lang verspürte ich die Verwunderung und große Bedeutung, die man rätselhaften Ereignissen beimißt. Der Sonnengott schien auf uns herab, als wolle er uns seinen Segen geben. Er war die Quelle allen irdischen Lebens, das Symbol innerer Energie und des Daseins selbst. Das Licht am Himmel war das Licht des Bewußtseins.
Die hellen Farbmuster der Kostüme verwirrten meinen Blick, und in den Schatten der Verkleidungen erkannte ich die kleinen Umrisse einer schwarzen Gestalt. Ich sah in den Mustern symbolische Dinge.
Ich schloß die Augen, um das zu sehen, was die anderen sahen, und dann sah ich durch ihre zahlreichen Augen eine große, schwarze Dämonengestalt, die inmitten des Stapels der Geopferten stand und mit brüllender, tiefer Stimme Befehle erteilte. Die Gestalt war ich. In der Vorstellung der Azteken waren die Opfer lebendige Wesen, Seelen, die zur Sonne geschickt wurden. In ihrer Phantasie wucherte am Fuße der Pyramide ein gewaltiger Dschungel, in dem sich bis zum Horizont nur da und dort ähnliche Gebäude aus dem dichten Grün erhoben. Die Sadomasochisten der Azteken-Kommune versuchten ihre Zeremonie dahingehend absolut authentisch zu machen, indem sie die Zeitpillen irgendeines Historikers geschluckt, sich in autohypnotische Trance versetzt hatten und nun geistig in einer prä-christlichen Epoche lebten, als Menschenopfer noch eine auf Gesetz, Ordnung und religiöser Respektabilität fußende Tradition gewesen waren.
Nur der Hohepriester war sich der Tatsache bewußt, daß sie ein Verbrechen begangen. Nur er fürchtete mich als einen Störenfried, der seine
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