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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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Ket­ten­hemd schütz­te zwar mei­nen Brust­korb, aber nicht mei­ne Keh­le.
    Schon als klei­ner, fet­ter Bur­sche hat­te ich mich vor wü­ten­den Er­wach­se­nen, die vor­hat­ten, mich zu be­stra­fen, zu schüt­zen ge­wußt. Ich stimm­te mich auf ihn ein, dreh­te es so hoch wie mög­lich, fühl­te wie er und sen­de­te zu­rück.
    Der Ho­he­pries­ter kam auf mich zu und war ich. Ich ließ al­les rein, je­des ein­zel­ne sei­ner Ge­füh­le. Ich sah in sei­ne Au­gen, stell­te mir vor, ich sei er und ge­ra­de im Be­griff, je­man­dem das Herz her­aus­zu­schnei­den. Er sah mich an, stell­te sich vor, ich zu sein und daß man ihm das Herz her­aus­schnei­den wür­de.
    Er er­starr­te.
    Die vier Pries­ter schleif­ten mich im­mer noch rück­wärts zum Al­tar. Mei­ne Fü­ße be­rühr­ten ihn schon. Ich starr­te wei­ter in die Au­gen des Ho­he­pries­ters.
    Er gab den an­de­ren ein Zei­chen, daß sie auf­hö­ren soll­ten.
    Sie ge­horch­ten. Der Wind blies über uns hin­weg, und die Son­ne kam ge­ra­de­wegs von oben. Wir al­le ba­de­ten in ei­nem Licht, das kei­ne Schat­ten warf. Die Un­ter­pries­ter ver­dreh­ten mei­ne Ar­me, bis ich mich nicht mehr rüh­ren konn­te. Da­bei hiel­ten sie mich so weit von sich ent­fernt, daß es mir un­mög­lich war, sie zu er­rei­chen. Sie hat­ten kei­ne Ah­nung, wor­auf der Ho­he­pries­ter war­te­te. Er schau­te in den Him­mel, um mei­nem Blick zu ent­kom­men, und schloß die Au­gen vor der Hel­lig­keit der Son­ne.
    Jetzt war zwar nicht die rich­ti­ge Zeit für ei­ne pri­va­te Hal­lu­zi­na­ti­on, aber plötz­lich hat­te ich wie­der die me­di­tie­ren­de Grup­pe im Sinn, die vor dem ge­bir­gi­gen Pan­ora­ma un­ter den Pi­ni­en an der Pa­zi­fik­küs­te ge­ses­sen hat­te. „Wir ha­ben einen groß­ar­ti­gen Ein­fall, Ge­or­ge.“
    „Haut ab“, sag­te ich im Geis­te. „Ich ha­be zu tun. Ihr könnt ja zu­rück­kom­men und über Phi­lo­so­phie strei­ten, wenn ich schla­fe.“ Ich ver­such­te raus­zu­krie­gen, was der Ho­he­pries­ter vor­hat­te. Die sie­ben weiß­ge­klei­de­ten Men­schen ver­ei­nig­ten ih­re ESP-Kräf­te und fin­gen an zu ru­fen.
    „Hier liegt dei­ne Chan­ce, Ge­or­ge!“
    „Kon­trol­lie­re ih­ren Geist!“
    „Bring sie da­zu, dich frei­zu­las­sen und den Ho­he­pries­ter auf dem Al­tar zu op­fern!“
    „Oder bring sie da­zu, ihn fest­zu­hal­ten, da­mit du ihn op­fern kannst! Das macht dich au­to­ma­tisch zum Ho­he­pries­ter. Du kannst den gan­zen Az­te­ken­kult an der Ost­küs­te kon­trol­lie­ren. Es geht um einen Hau­fen wich­ti­ger Be­am­ter, wich­ti­ger Fir­men, Spit­zen­po­li­ti­ker und Mi­li­tärs. Die Mit­glie­der­lis­te ist ge­heim, aber groß! Kon­trol­lie­re sie, Ge­or­ge, kon­trol­lie­re sie!“
    „Tu’s auf der Stel­le! Das Fern­se­hen wür­de ei­ne Son­der­sen­dung ma­chen, Ge­or­ge!“
    „Bring das Ge­sin­del un­ter dei­ne Kon­trol­le!“
    Ich hat­te Angst. Sie ver­such­ten mir et­was ein­zu­re­den, das mir falsch vor­kam, sehr falsch.
    „Ich ha­be so was schon mal ver­sucht. Es war schlecht. Es tut den Leu­ten weh, wenn man sie kon­trol­liert.“ Ich ver­such­te sorg­fäl­tig, es ih­nen aus­ein­an­der­zu­le­gen. Ich kam mir vor wie ein Kind, das Er­wach­se­nen ein schwie­ri­ges Pro­blem er­klärt. „Sie wis­sen nur, wie man das ei­ge­ne Flug­zeug zum Flie­gen bringt.“
    „Was könn­te schon Schlim­mes pas­sie­ren, wenn du die­se Sa­dis­ten kon­trol­lierst? Du bist doch kein Sa­dist. Du kannst sie für uns kon­trol­lie­ren. Wir ha­ben tol­le Plä­ne, um der Welt Frie­den und Ver­nunft zu brin­gen“, sag­te der Stim­men­chor. Ich sah bit­ten­de, freund­li­che, re­de­ge­wand­te Ge­sich­ter in Nah­auf­nah­me.
    Ich konn­te mit dem Den­ken nicht auf­hö­ren, mir wur­de schwind­lig, und ich hör­te, wie in der Nä­he ein Flug­zeug­mo­tor don­ner­te. Ich fühl­te Trau­er. „Ah­med und Ann wer­den ab­stür­zen“, sag­te ich. „Durch mei­ne Schuld.“ Ich hät­te heu­len kön­nen.
    Als sie die Furcht und die Schuld­ge­füh­le ver­spür­ten, wir­bel­ten sie weg von mir. Sie wa­ren so ängst­lich und vol­ler Schuld­ge­füh­le, als hät­ten sie mich um­ge­bracht. „Das er­gibt kei­nen

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