Der Esper und die Stadt
hatte.
„Wann haben Sie diesen Fall angenommen?“ fragte sie. „Sie müßten mir die genaue Zeit sagen.“
„Ich weiß nicht. Wann bemerkt man zuerst, daß etwas nicht in Ordnung ist? Schon vor einem Jahr fiel mir auf, daß dieser Block etwas Gespenstisches an sich hat, aber ich habe nichts dagegen getan. Genau merkte ich es erst in einem italienischen Restaurant, an dem Tag, als man mich anstellte. Aber auch da sagte ich niemandem etwas.“
„Vor einem Jahr?“ Ihre Stimme wurde schrill. „Sie bekommen Stundenlohn. Wann haben Ihre Vorgesetzten Sie auf diesen speziellen Fall angesetzt?“
Sie war ein liebreizendes, rundliches Mädchen mit nettem Gesicht und einem Knubbelnäschen, aber irgend etwas an der ganzen Szenerie machte mich wütend.
„Ich habe keine Vorgesetzten. Niemand hat mich auf den Fall angesetzt. Heute morgen um sechs Uhr dreiundzwanzig sagte ich mir einfach, ich sollte etwas unternehmen.“
„Ich muß eine Spalte ausfüllen, in der danach gefragt wird, wie viele Stunden Sie gearbeitet haben, Mr. Sanford. Wann haben Sie mit der Arbeit angefangen?“
„Das kommt darauf an, was Sie mit Arbeit meinen“, grollte ich und sah zur Seite, damit sie nicht sehen konnte, wie wütend ich war. „Ich habe ein Telefongespräch geführt. Das dauerte fünf Minuten.“
„Wir können Sie nicht für fünf Minuten bezahlen, Mr. Sandford.“ Sie zog die Hände von der Schreibmaschine zurück und ballte sie auf der Schreibtischplatte zu Fäusten. „Ich versuche doch nur, Ihnen zu helfen.“ Ihre Augen röteten sich. Ich fragte mich, warum ich so sauer auf sie war, und versuchte, mich in meine eigene Laune einzustimmen.
„Mein Name ist nicht Sandford“, sagte ich und knurrte beinahe. Mein Name erzeugte in meinem Kopf plötzlich ein sich wild überschlagendes Echo. Ich heiße nicht Sandford, ich heiße nicht Sandford … NICHT SANFORD NICHT SANFORD. NICHT GEORGE SANFORD. George Sanford war nicht mein richtiger Name.
Sie konnte das Echo nicht hören, aber sie fragte mich etwas.
Die Neurologische, dachte ich, ist genau der richtige Ort, um verrückt zu werden. Durch die Echos, die meine Stimme in meinem Kopf erzeugte, hörte ich ihre Stimme nur vage und achtete auf die Bewegungen ihrer Lippen. „Wir müssen diese Seite ausfüllen. Wie lautet also Ihr richtiger Name – und wie Ihre Adresse?“
Ich habe keine Adresse. Ich wohne in Kommunen. Ich habe keinen Namen. Ich bin nicht ich selbst!
Natürlich sprach ich diese Verrücktheiten nicht aus. Ich nehme an, daß ich wütend aussah und nicht furchtsam, entsetzt und außer mir. Ich drehte mich um, stampfte auf den Korridor hinaus und taumelte zu diesem Bildfenster. Was passiert, wenn man sich auf sich selbst einzustimmen versucht wie in einen Fremden? Ich versuchte es immer noch. Ich hörte nicht auf. Ich sah über den Fluß und sah, wie sich die Palisadenklippen und Gebäude, die trotz der Entfernung riesig waren, in die zerbröselnden Mauern eines nahe liegenden Gebäudes verwandelten, das langsam einstürzte. Das Hubschraubergesumme kam von einem gigantischen Flugzeug, das sich anschickte, in die Wand hineinzurasen, hinter der ich stand. Ich hatte Angst; es war entsetzlich. Ich kam mir vor wie ein kleines Kind.
Die riesigen Gesichter imaginärer Erwachsener schauten auf mich herab. Aus der Ferne kamen donnernde Stimmen. „Wie heißt du denn, Kleiner?“ – „Hast du in diesem Haus gewohnt?“ – „Weißt du, wer noch drinnen war?“ – „Wo wohnst du denn, Kleiner?“
Laßt mich in Ruhe! Ich habe es nicht getan! Ich bin gar nicht ich!
Ich drehte mich um, verließ mit schnellen Schritten die Nervenklinik und ging über die Straße in den Sonnenschein hinein. Ich kann Leute, die Fragen stellen, nicht ausstehen; selbst dann
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