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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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nicht, wenn sie nur in mei­ner Phan­ta­sie exis­tie­ren.
    Ich mag auch kei­ne For­mu­la­re aus­fül­len, die einen zu­erst nach Na­men und Adres­se fra­gen. Schon mei­ne Leh­rer hat­ten auf­ge­ge­ben und es für mich ge­tan. Ich hat­te im­mer Freun­de, die sol­che Sa­chen für mich er­le­dig­ten. Aus­ge­nom­men die Prü­fun­gen. Da­mit muß­te ich al­lein fer­tig wer­den. Als die Er­wach­se­nen noch Rie­sen wa­ren.
    Adres­se. Was soll das denn hei­ßen? Denk nach. Es be­deu­tet, wo dei­ne Ma­mi und dein Pa­pi woh­nen. Ich weiß nicht, ich bin ein Wai­sen­kind. (Schock, Mit­leid, Ent­schul­di­gung, Scham­ge­fühl. Ver­le­gen­heits­aus­strah­lung ei­nes Er­wach­se­nen.) Schmer­zen­de Vi­bra­tio­nen. Sag es ih­nen nicht! ADRES­SE? Weiß ich nicht.
    Du blö­des Kind! Ist es schwach­sin­nig? Will es mich pro­vo­zie­ren? Ich has­se dich auch, du blö­der Er­wach­se­ner, NA­ME ? E S ist nicht mein wirk­li­cher Na­me. Ich ken­ne mei­nen rich­ti­gen Na­men nicht, NA­ME ? Ich möch­te nicht lü­gen. Die Ant­wor­ten pas­sen ein­fach nicht zu den Fra­gen. Die­se For­mu­la­re sind dumm. Sie stel­len ei­nem dum­me Fra­gen. Ich wer­de kei­ne Prü­fungs­fra­gen mehr be­ant­wor­ten. Ich tue so, als sei ich blöd. Ich tue so, als ob ich nicht le­sen könn­te.
    Ich ha­be Angst, daß man mich beim Le­sen er­wi­scht. Ich ha­be im­mer noch Angst.
    Im letz­ten Mo­nat war mein zwan­zigs­ter Ge­burts­tag. Ich bin zwan­zig Jah­re alt, männ­lich, An­al­pha­bet und stel­le mir vor, daß ein sil­ber­nes Flug­zeug auf mich fallt. Wenn ich zu den­ken ver­su­che, kommt das Flug­zeug. Ich hö­re es jetzt.
    Judd Oslow hat­te ge­meint: „Sie mö­gen sich viel­leicht auf­füh­ren wie ein Hal­b­idi­ot, San­ford, aber das sind Sie nicht. Sie sind nur faul.“
    Ich bin nicht faul, Chef, ich bin ver­rückt.
    Ich ging in die glä­ser­ne Te­le­fon­zel­le zu­rück und sah, wäh­rend ich wähl­te, auf einen klei­nen Park hin­aus. „Ver­mitt­lung? Ge­ben Sie mir Ah­med Kos­va­ka­tats. Ja. Ich blei­be dran.“ Ich war­te­te und be­ob­ach­te­te einen Spe­zi­al­bus, der aus ei­nem an­de­ren Staat kam, über das Gras hin­weg­schweb­te und vor dem Pa­ti­en­ten­ein­gang der Neu­ro­lo­gi­schen an­hielt. Ru­hi­ge Leu­te mit lee­ren Au­gen wur­den nach­ein­an­der aus dem Bus ge­führt.
    Schwach­köp­fe, wie ich. Ei­ner von ih­nen fing an, aus­ge­nipp­te Im­pul­se vol­ler Angst und Ge­walt aus­zu­strah­len. Ich woll­te die Tür der Te­le­fon­zel­le zu­zie­hen, als kön­ne ich da­mit das Ge­schrei aus­schlie­ßen, aber es wa­ren nur Vi­bra­tio­nen – kei­ne Ge­räusche. Sie lie­ßen sich nicht aus­schlie­ßen. Im­mer mit der Ru­he, Ge­or­ge; ver­such dich dar­an zu ge­wöh­nen, ver­lie­re nicht die Ner­ven. Der Ir­re ver­senk­te sei­ne Zäh­ne in den Arm ei­nes Pfle­gers. Zu we­nig Tran­qui­li­zer. Aber sie ha­ben es nicht gern, wenn die Ir­ren und Ver­bre­cher be­täubt zur Ge­hirn­wä­sche ge­bracht wer­den. Wenn sie nicht wü­tend und vol­ler Angst sind, funk­tio­niert die Sa­che näm­lich nicht.
    In ein paar Stun­den wür­de man den Mann, den sie ge­ra­de von dem Pfle­ger los­ris­sen, in ei­nem Zim­mer fest­ge­bun­den ha­ben. Er wür­de dann noch ein biß­chen in sich hin­ein­schrei­en, aber dann auf Dau­er ru­hig und freund­lich sein. Ich er­in­ner­te mich dar­an, vor den Be­hand­lungs­räu­men der Kri­mi­nel­len­sek­ti­on ge­stan­den zu ha­ben. Und mir fiel ein, wie es ge­we­sen war, als ich mich in die­je­ni­gen ein­ge­stimmt hat­te, die ge­ra­de be­han­delt wur­den.
    Der Tür­knauf der Te­le­fon­zel­le brach ab und lan­de­te in mei­ner Hand. Mit dem Knauf in der Hand stand ich da und sah durch den Glas­kä­fig zu, wie sie den letz­ten der Neu­an­kömm­lin­ge in das Kran­ken­haus brach­ten. Ir­re, wie ich.

 
3
     
    „Ge­or­ge?“ sag­te ei­ne Stim­me in mei­nem Kopf­hö­rer.
    „Ja, in Ord­nung“, sag­te ich geis­tes­ab­we­send. Ich leg­te den Tür­knauf auf die Ab­la­ge und schau­te durch das Glas auf den blau­en Him­mel und die Hub­schrau­ber, die sum­mend auf den Haus­dä­chern lan­de­ten. Frei. Das Te­le­fon sag­te et­was und er­in­ner­te mich dar­an, wo ich

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