Der Esper und die Stadt
sagte ich ihm im stillen.
„Dann lassen Sie’s von Ihrer Freundin machen“, schnappte der Chef.
Ich schaute auf, aber das Blumenmädchen ging schon weiter. Sie schaute zurück und winkte, hielt aber nicht an. Ich vergaß sie.
„Ich brauche etwas Geld, um nach Ahmed zu suchen“, murmelte ich.
Der Chef klang müde. „Geben Sie mir die Nummer Ihrer Kreditkarte und den Namen Ihrer Bank, dann lasse ich hundert Dollar auf Ihr Konto überweisen. In Ordnung?“
„In Ordnung.“ Ohne Geld ist auch ein reicher Bursche arm. Ich kam mir immer noch pleite vor.
Der Chef hörte mir zu. „Sie haben das Geld in zehn Minuten, George. Sie sind nicht pleite. Denken Sie daran, daß wir Ihnen viel mehr Geld schulden als das. Sie brauchen nur Ihre Berichte abzuliefern und Ihre Quittungen zu sammeln. Tun Sie bloß, was die Buchhaltung wünscht, sonst wird man mir den Hunderter von meinem eigenen Gehalt abziehen.“
Vielleicht fiel mir ja noch was ein, wie ich die Berichte fertigkriegen konnte. Im Moment interessierte mich aber nur der Auftrag. „Woran hat Ahmed gearbeitet, als Sie das letzte Mal von ihm hörten?“
„Im Revier an der Madison Avenue, Ecke 53. Straße, wartet ein Bericht auf Sie“, sagte der Chef, und mehr war nicht aus ihm rauszukriegen.
Ich marschierte eine Meile nach Süden, hielt dann wegen einer Tasse Suppe an einem Essensautomaten an, drückte den Suppenknopf und steckte meine Kreditkarte in den Schlitz. Ich hörte zu, wie der Automat klickte und rappelte. Er akzeptierte die Karte, spuckte sie wieder aus und servierte mir die Suppe. Es war herrlich anzuhören und ein gutes Gefühl, wieder eine Kreditkarte zu haben, die zu was nütze war.
Ein Junge ging vorbei.
„He, Junge, hast du Ahmed den Araber gesehen?“
„Wen?“
„So ein großer, magerer Typ von der Rettungsbrigade, der Vermißte sucht. Geht ziemlich schnell. Und hat so schwarze Augenbrauen.“ Ich zeigte auf meine Augenbrauen und runzelte die Stirn.
„Nö.“ Der Junge sah mich an und wartete auf weitere Fragen, aber ich hatte keine mehr. Die Blagen werden immer kleiner. Man kann sich kaum vorstellen, daß sie dieselben sind wie wir damals, als wir noch klein waren. Aber nicht sie haben sich verändert, sondern ich.
„Na, dann danke, Junge.“
Er nickte und verschwand zwischen den Gebäuden in der grünen Wildnis der Hinterhöfe. Ich sah ihm nach. In einer Stadt mit vier Millionen Menschen hatte es wohl nicht viel Sinn, irgendeinen Jungen nach einem Vermißten zu fragen, aber manchmal hatte ich Glück. Daneben getroffen. Aber ich hatte ja um nichts gewettet. Ich ging weiter, nippte an meiner Suppe, kam auf die öffentlichen Gehwege des Kunst- und Galeriedistrikts und war bald zwischen den kostümierten Künstlern und ihrer Kundschaft. Ich ging schneller als die langsam dahinfließende Menge. Die meisten Leute waren nur da, weil sie sich was ansehen wollten, aber andere schleppten große Gemälde und Fotodrucke mit sich herum. Ich hielt auf jene zu, die den Anfang der Menge bildeten, und machte denen, die hinter mir kamen, den Weg frei. Auch wenn ich keine Suppe bei mir habe, brauche ich auf dem Gehweg mehr Raum als mir zusteht, aber ich weiß, was es für eine Arbeit macht, sich einen Weg durch die Menge zu bahnen, ohne jemanden anzurempeln. Ahmed hatte für unsere UN-Bruderschaft ein Spiel daraus gemacht, Völkerscharen wie diese zu durchqueren: Man hatte verloren, sobald sich ein Erwachsener beschwerte – oder auch nur sein Lächeln gefror.
Es war eine lustige Meute. In den Vierteln der Galerien und Künstler geht es immer lustig zu. Sogar die alten Häuser strahlten glückliche Vibrationen aus, und auch die verwilderten Grünzonen, die wilden Blumen, die großen, federähnlichen Pflanzen und die
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