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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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war.
    „Bist du das, Ah­med?“ frag­te ich. „Ich hab ge­ra­de einen Ir­ren fest­neh­men las­sen. Aber du warst nicht da, um mir bei den Be­rich­ten zu hel­fen. Kannst du rü­ber­kom­men, mir ein Es­sen spen­die­ren und die Sa­che für mich er­le­di­gen?“
    Er ant­wor­te­te nicht. Ich hör­te je­man­den at­men.
    Ein Mäd­chen blieb ste­hen, ganz in der Nä­he der Zel­le. Es hat­te ei­ne Blu­me über dem lin­ken Ohr, was be­deu­te­te, daß sie nach ei­nem neu­en Freund such­te.
    „Frie­den und Eins­s­ein, klei­ne Schwes­ter“, sag­te ich mit dem Gruß der Lie­bes­kom­mu­ne. Sie lä­chel­te und strahl­te freund­li­che Vi­bra­tio­nen aus.
    „Ge­or­ge“, sag­te die Stim­me in mei­nem Kopf­hö­rer ge­dul­dig, „hier ist der Chef, Judd Oslow – nicht Ah­med oder ir­gend­ein Mäd­chen. Wach auf, Mensch!“ Ich wach­te so­fort auf. „Ja­wohl, Sir. Tut mir leid.“
    „Ge­or­ge, hör ge­nau zu“, sag­te die ge­dul­di­ge Stim­me, die aus dem Ste­reo-Kopf­hö­rer kam, und mit ge­schlos­se­nen Au­gen emp­fing ich auf­grund des Echos ein Hör­bild sei­nes holz­ge­tä­fel­ten Bü­ros mit dem Ei­chen­holz­schreib­tisch. Der alt­mo­di­sche, vi­nyl­ver­klei­de­te Fuß­bo­den er­zeug­te das fei­ne Quiet­schen sich hin und her be­we­gen­der Fü­ße. Nur in der Nä­he der Sprech­mu­schel gab es kei­ne Echos, denn der große, ein­ge­fal­le­ne Kör­per des Chefs ab­sor­bier­te sie.
    „Ja, Sir, ich hö­re zu.“
    „Ge­or­ge, Ah­med ist ver­schwun­den. Wir ha­ben heu­te mit der Post sei­nen Arm­band­sen­der be­kom­men. Na­tür­lich oh­ne Ab­sen­der­adres­se.“
    Es war, als hät­te mir je­mand in den Ma­gen ge­tre­ten.
    „Glau­ben Sie, er ist tot?“
    „Nein, er wird nur ver­mißt. Er hat sich seit Mitt­woch nicht mehr ge­mel­det, aber der Arm­band­sen­der deu­tet nicht dar­auf hin, daß er er­mor­det wur­de.“
    Ich hat­te kei­ne Lust, dar­über zu re­den. Als ich noch ein Jun­ge war, hat­ten mir mei­ne Freun­de Ge­schich­ten von Ban­den- und Or­ga­ni­sa­ti­ons­krie­gen er­zählt. Wenn ir­gend­ei­ne Or­ga­ni­sa­ti­on oder Ban­de je­man­den um­brach­te, schick­te sie sei­ne Arm­band­uhr in ei­nem klei­nen Päck­chen an des­sen Fa­mi­lie. Ah­med war jetzt seit ei­nem Jahr bei der Po­li­zei und Mit­glied der Ret­tungs­bri­ga­de. Wenn je­mand die Bri­ga­de für sei­ne Fa­mi­lie hielt, konn­te er durch­aus tot sein.
    „Ge­or­ge, sind Sie noch da? Ha­ben Sie ir­gend­was von Ah­med ge­hört? Ir­gend­wel­che Bot­schaf­ten oder Vi­bra­tio­nen auf­ge­fan­gen?“
    „Nein.“ Ich hat­te Ah­meds Vi­bra­tio­nen nie auf­fan­gen kön­nen. Schon als Kind – als er noch der Boß un­se­rer Stra­ßen­ban­de ge­we­sen war – hat­te ich ihn für ein Ge­hirn oh­ne ir­gend­wel­che Ge­füh­le ge­hal­ten. In­tel­li­genz ist ein wei­ßes Licht, das ei­nem zeigt, wie man dies und je­nes macht. Sie läßt einen al­le Si­tua­tio­nen kühl be­trach­ten und macht aus ei­nem Durch­ein­an­der et­was Har­mo­ni­sches. Ah­med hat­te einen Such­schein­wer­fer, der di­rekt aus sei­nem In­ne­ren kam.
    Ich weiß ei­ne Men­ge über Ge­füh­le – über mei­ne und die von an­de­ren. Als wir grö­ßer wur­den, brauch­ten wir die­ses Licht al­le.
    „Er wird seit Mitt­woch ver­mißt?“ wie­der­hol­te ich und hör­te mei­ne Stim­me knur­ren. „Warum ha­ben Sie mir das nicht eher ge­sagt?“
    „Kein Grund zur Auf­re­gung. Sie krie­gen den Job, ihn zu fin­den.“
    „Wer ar­bei­tet sonst noch an der Sa­che? Ver­las­sen Sie sich nicht nur auf mich. Sie wer­den ei­ne Men­ge Leu­te brau­chen. Schi­cken Sie die gan­ze Ab­tei­lung los. Ich ha­be nicht mal Geld für die Aus­la­gen.“
    Sei­ne Stim­me war im­mer noch ge­dul­dig und lang­sam. „Sie soll­ten die Zeit und die Spe­sen auf­füh­ren und uns dann ei­ne Rech­nung aus­stel­len, ha­ben Sie das ver­ges­sen? Sie ha­ben noch nicht mal einen Be­richt über die bei­den letz­ten Jobs an­ge­fer­tigt.“
    „Ich mag kei­nen Pa­pier­kram“, mur­mel­te ich. „Ich füh­le mich schon krank, wenn ich For­mu­la­re zu le­sen ver­su­che. Ich bin neu­ro­tisch.“ Ich bin psy­cho­tisch. Ich krie­ge Angst und se­he Flug­zeu­ge ab­stür­zen,

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