Der Esper und die Stadt
Kletterranken, die an den Zäunen endeten, damit sie die Gebäude nicht überwucherten. Ich fragte mich, warum die Schlingpflanzen nicht an den Häusern hochwachsen durften und fing an, wie ein Polizist zu denken, denn ich sah, daß die freien Flächen ohne Bewuchs Diebe daran hinderten, sich heimlich an den Fenstern zu schaffen zu machen, in die Galeriegebäude einzudringen und Bilder zu stehlen. Die Hälfte der Leute, die ich kannte, lebten von Renten. Sie hatten zwar genug Geld für Nahrung und Unterkunft, aber zu wenig, um sich die hübschen Sachen zu kaufen, die es dort drinnen gab. Und Kunstgegenstände sind teuer. Sicher wurde viel gestohlen.
Im Revier an der Madison Avenue nahm ich einen Umschlag in Empfang, auf dem mein Name stand. Darin fand ich einen anderen Umschlag mit den Worten „Ahmed Kosvakatats, Daten des Vermißten, nur für autorisiertes Personal.“
Ich nahm im Revier auf einer Bank Platz und sah mir das Material an. Es schien aus Fotokopien offizieller Akten zu bestehen, die Ahmed betrafen. Geburtsurkunde, Schulzeugnisse und solche Sachen. Schon sie anzusehen war ein Anschlag auf seine Privatsphäre. Dazwischen befand sich auch eine Vermißtenmeldung, aber mehr als sein Name, seine Beschreibung und der Ort, an dem man ihn zuletzt gesehen hatte, stand nicht darin.
Zuletzt hatte er über seinen Armbandsender von der Ecke 127. Straße der Park Avenue einen Bericht abgegeben. Eine schlechte Gegend, um darin zu verschwinden. Ein lausiger Distrikt! Die Gegend des Schwarzen Reiches, von Spanish Hartem und den versiegelten Mauern Arabisch-Jordaniens! Es ist zwar verboten, auf den öffentlichen Wegen, die durch diese Zonen verlaufen, Kämpfe abzuhalten, aber der Haß ist hier so dick, daß man ihn mit dem Messer zerschneiden kann. Die Sektoren haben das Recht, innerhalb ihrer Mauern eine eigene Polizei zu unterhalten und nach eigenen Gesetzen zu urteilen. Wer sich in sie hineinbegibt, verschwindet. Und die „Polizei“ hinter diesen Mauern behauptet dann, daß niemand eingedrungen ist. Erwachsene, die vernünftig sind, kommen gar nicht erst auf den Gedanken, diese Gegend aufzusuchen. Sie gehen an den Mauern vorbei, ohne aufzuschauen, langsamer zu werden oder gar stehenzubleiben.
Ich ging in den Untergrund und nahm mir einen Fahrstuhl zum Ausgang der 125. Straße. Dann ging ich zwei Blocks zu Fuß, bis ich die angegebene Stelle erreichte, und marschierte ohne aufzuschauen daran vorbei – neben der hohen Mauer her, die Spanish Hartem von Arabisch-Jordanien trennte. An der Ecke Park Avenue und 128. Straße war eine Telefonzelle aus rostfreiem Stahl. Ich ging hinein, rief die Rettungsbrigade an und fragte nach dem Chef.
Wußte er, daß er mich darum bat, in das Territorium des Schwarzen Reiches, nach Spanish Hartem oder Arabisch-Jordanien zu gehen, um dort nach Ahmed zu suchen? Anderswo konnte er gar nicht sein. Ich fror innerlich. Der Chef mußte mir ein paar Tips geben, damit ich reinkam, mich umsehen und wieder abhauen konnte. Oder glaubte er etwa, ich wollte ihm über das Telefon nur meinen letzten Willen diktieren?
Er nahm meinen Anruf aber sofort entgegen. „Hier ist Judd Oslow, George.“
„Chef, ich kann mit diesen Unterlagen überhaupt nichts anfangen. Woran hat Ahmed gearbeitet, bevor er verschwand?“
„An einer großen Sache. Die Kriminalabteilung zog meine besten Leute zu einer Suche heran. Ahmed auch.“
„Und worum ging es dabei?“
„Darüber kann nur die Kriminalpolizei Informationen abgeben, und zwar die Abteilung für organisiertes Verbrechen. Ich kann Ihnen gar nichts sagen.“
Dennoch hatte er mir einen Tip gegeben. Bei diesen drei Reichen handelte es
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