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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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leb­te in ei­ner alt­mo­di­schen Ge­gend bei Pfle­ge­el­tern, die an das Zu­sam­men­le­ben der Ras­sen glaub­ten. In un­se­rer Ban­de wa­ren Kin­der fast al­ler Ras­sen, und da das UNO-Ge­bäu­de ganz in der Nä­he lag, nann­ten wir un­se­ren Stamm die UN-Bru­der­schaft.
    Wir hat­ten ein Spiel, das wir „Hühn­chen folgt dem An­füh­rer“ nann­ten. Wenn man zu­viel Angst be­kam, dem An­füh­rer noch wei­ter zu fol­gen, muß­te man als Stra­fe ei­ne gan­ze Wo­che lang ga­ckern und mit den „Flü­geln“ schla­gen, wenn einen je­mand an­sprach. Wenn die schwar­zen Kin­der An­füh­rer spiel­ten, führ­ten sie uns na­tür­lich durch das schwar­ze Ge­biet, und da wa­ren wir bald al­le „Hühn­chen“, aus­ge­nom­men je­ne, de­ren Haut dun­kel ge­nug war.
    Wenn wir zwi­schen den Stütz­bal­ken der Brücken her­um­klet­ter­ten, wa­ren wir na­tür­lich groß­ar­tig, aber so­bald es dar­auf an­kam, in be­stimm­te ras­si­sche Ge­bie­te ein­zu­fal­len, spiel­ten so vie­le von uns „Hühn­chen“, daß wir das Straf­maß auf einen Tag her­un­ter­set­zen muß­ten, um über­haupt mal wie­der mit­ein­an­der spre­chen zu kön­nen. Ah­med wi­ckel­te sich manch­mal – wie ein Ara­ber – in Bett­la­ken und be­haup­te­te, al­lein in das Ara­ber­land ein­ge­drun­gen zu sein. Er zeig­te uns auch ei­ne Hand­voll Sand, aber wir ba­ten ihn erst dann, uns mal mit­zu­neh­men, nach­dem er in den Kel­lern ei­ni­ger Rui­nen auf ge­hei­me Gän­ge ge­sto­ßen war. Sie en­de­ten in den Kel­ler­räu­men je­ner Häu­ser, die man vor der An­kunft der Ara­ber ab­ge­ris­sen und zu­ge­deckt hat­te.
    Schon in die­ser Zeit nann­ten wie ihn Ah­med den Ara­ber. Er stahl Bur­nus­se und Ko­stü­me für uns und führ­te uns fünf­mal in das Ara­ber­land. Dort lie­fen wir wie ech­te ara­bi­sche Kin­der her­um und sa­hen uns an, was wir nicht kann­ten: ver­schlei­er­te Frau­en, Ha­rems, hör­ten den Mu­ez­zin ru­fen und sa­hen die Män­ner be­ten, die sich nach Mek­ka wand­ten. Wir sa­hen auch die jun­gen ara­bi­schen Män­ner, mit ein­ge­öl­ten, glän­zen­den Mus­keln. Sie üb­ten sich in Kriegs­spie­len und Mes­ser­kämp­fen.
    Wenn ir­gend­ein ara­bi­sches Kind miß­trau­isch wur­de und uns zu na­he kam, führ­te Ah­med uns nach drau­ßen. Wir rann­ten dann schnell durch ein Wirr­warr von Gän­gen durch die auf­ge­bro­che­nen Kel­ler der Rui­nen, krab­bel­ten durch einen stin­ken­den, aber tro­ckenen Ab­fluß­ka­nal zu ei­nem Aus­stieg­loch und ret­te­ten uns auf die öf­fent­li­che Stra­ße.
    Un­ser letz­tes Ein­drin­gen in das Ara­ber­land ging nicht gut aus. Sie hat­ten raus­ge­kriegt, daß frem­de Kin­der in ihr Ter­ri­to­ri­um ein­ge­drun­gen wa­ren, und sich auf uns vor­be­rei­tet. Als wir türm­ten, rann­ten die Ara­b­er­kin­der den gan­zen Weg joh­lend hin­ter uns her. Sie fan­den un­se­ren Ein­stieg in ih­re Kel­ler und hat­ten bald un­se­re Klei­nen ein­ge­holt, die nicht so schnell mit­ka­men. Sie pack­ten sich den großen Jun­gen, der zu­rück­ge­blie­ben war, um die Flucht der Klei­nen zu de­cken und war­fen ihn mit ei­nem gan­zen Ru­del um. Sie knie­ten sich auf ihn und schlu­gen ihm ins Ge­sicht, bis er blu­te­te. Als sie dann lo­se Zie­gel aus dem Mau­er­werk zo­gen, um ihn zu er­schla­gen, kehr­te Ah­med mit ei­ner Grup­pe grö­ße­rer Mit­glie­der der Bru­der­schaft zu­rück, um ihn zu ret­ten. Die an­de­ren tru­gen ihn dann ins Freie.
    Ah­med hat­te uns ver­si­chert, daß sich die Ara­ber auf un­se­re Au­gen und Ho­den stür­zen wür­den, um uns zu ver­stüm­meln. Wir hat­ten Spaß an der Ge­fahr ge­habt und wa­ren vor­sich­tig ge­we­sen, aber daß ei­ner von uns bei­na­he drauf­ge­gan­gen war, verd­arb uns stark die Lau­ne.
    Die Ban­de folg­te Ah­med nie wie­der ins Ara­ber­ge­biet. Er frag­te auch nie wie­der da­nach. Die ara­bi­schen Kin­der hat­ten un­se­re Gän­ge ge­fun­den und war­te­ten auf uns.
    Das war jetzt zwölf Jah­re her, und vor ei­ner Wo­che hat­te man Ah­med be­auf­tragt, in New York nach et­was zu su­chen. Ich frag­te mich, ob er ver­sucht hat­te, mit ei­nem Bett­la­ken ge­tarnt in Ara­bisch-Jor­da­ni­en nach­zu­se­hen.

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