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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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Viel­leicht war er ge­ra­de­wegs hin­ein­ge­gan­gen.
    Mir brach der Schweiß aus. Ich stand ne­ben der Te­le­fon­zel­le und sah zu den Fens­tern hin­auf, hin­ter de­nen das Ara­ber­ge­biet lag.
    Ich hat­te zu lan­ge zu ih­nen auf­ge­schaut. Die ver­schlei­er­te Frau, die dort ge­stan­den hat­te, war be­reits von meh­re­ren Kin­der­ge­sich­tern er­setzt wor­den, die durch die Git­ter starr­ten.
    „Fe­ren­gi“, höhn­ten sie. „Ju­den! Bringt den jü­di­schen Hund um.“ Die al­ten Kampf­schreie von Krie­gern, die ver­lo­ren ha­ben. Wenn es nach den Ara­bern ging, wa­ren die New Yor­ker ent­we­der Ju­den und Fein­de oder Schwar­ze und Skla­ven; folg­lich be­lei­dig­te man sie.
    Als ich den Kopf in den Nacken leg­te, schi­en mir die Son­ne ins Ge­sicht. Ich mus­ter­te die lan­ge, ho­he Mau­er von Ara­bisch-Jor­da­ni­en und de­ren ver­schie­den­far­bi­ge Zie­gel. Man hat­te die al­ten Haus­ein­gän­ge und Fens­ter zu­ge­mau­ert und die einst frei­ste­hen­den Ge­bäu­de mit Zwi­schen­mau­ern zu­sam­men­ge­fügt. Aus den Fens­ter­rei­hen im drit­ten Stock schri­en die Kin­der zu mir her­ab.
    Ich se­he nicht wie ein Ara­ber aus. Ich bin hell­häu­tig, fast zwei Me­ter groß, ha­be brei­te Schul­tern, ein run­des Ge­sicht, ei­ne kur­ze Stups­na­se, hel­le Wim­pern, blaue Au­gen, strub­be­li­ges, mit­tel­blon­des Haar und bin da­mit das ge­naue Ge­gen­teil ei­nes Mit­tel­meer­be­woh­ners – ein großer, nörd­li­cher Typ, der blö­de auf die Fens­ter starr­te und nach­dach­te.
    Oben an den Fens­tern ver­höhn­ten und ver­fluch­ten mich Kin­der­ge­sich­ter mit großen Au­gen und dunklen Wim­pern und schil­der­ten mir mit nicht wie­der­zu­ge­ben­den Wor­ten, was sie mit ei­nem Aus­län­der ma­chen wür­den, der es wag­te, die öf­fent­li­chen We­ge zu ver­las­sen. Ich wuß­te, daß sie nicht spaß­ten.
    An dem Fens­ter, das mir am nächs­ten lag, er­schi­en ein jun­ger Mann, schob die Kin­der bei­sei­te und schrie mir mit au­to­ri­tär­er Stim­me zu: „Was willst du?“
    Es war idio­tisch ge­we­sen, ih­re Auf­merk­sam­keit auf mich zu zie­hen, aber ich muß­te nun mal nach­den­ken. Soll­te ich ein­fach nach Ah­med fra­gen? Nein. Wenn er sich nur im Ara­ber­land ver­steckt hielt und von sei­nem Rück­weg ab­ge­schnit­ten war, muß­te sie ei­ne sol­che Fra­ge heiß ma­chen. Ich dach­te mir al­so et­was aus.
    „Ich bin Stu­dent. Ich stu­die­re die Ge­schich­te der ara­bi­schen Kul­tur. Ich frag­te mich ge­ra­de, in­wie­fern sich die ara­bi­sche Kul­tur ver­än­dert hat.“
    Nun tauch­ten noch mehr stäm­mi­ge jun­ge Män­ner an den Fens­tern auf. Sie hat­ten kei­ne Hem­den an, aber sie fin­ger­ten an ge­krümm­ten Mes­sern her­um und dreh­ten die Klin­gen so, daß sie auf­blitz­ten, da­mit ich es be­merk­te.
    Der Spre­cher sag­te: „Wir le­ben wie un­se­re Vor­fah­ren. Geh zu­rück zu dei­nen Bü­chern, ka­strier­ter Stu­dent, und star­re un­se­re Frau­en nicht an.“
    Ich dreh­te mich um und ging wei­ter, im­mer an der Mau­er ent­lang, un­ter den hoch­lie­gen­den Fens­tern vor­bei. Ir­gend­was traf mich leicht zwi­schen den Schul­ter­blät­tern, aber das konn­te nur ein Stein­chen ge­we­sen sein, ab­ge­feu­ert von ir­gend­ei­nem Jun­gen mit ei­ner Gum­mischleu­der. Die Stadt­po­li­zei hilft nor­ma­ler­wei­se je­dem, der auf den öf­fent­li­chen We­gen be­läs­tigt wird. Sie hät­te sich den Jun­gen bin­nen ei­ner Mi­nu­te schnap­pen kön­nen, al­so reg­te ich mich nicht wei­ter auf.
    Am En­de der 131. Stra­ße, mit­ten in ei­nem Ge­wirr von Busch­werk, das sich durch den Mit­tel­teil der Stra­ße zog, be­fand sich das al­te, ab­ge­deck­te Ein­stiegs­loch, das zu den Stra­ßen­ein­gän­gen führ­te. In der Um­ge­bung des Ein­stiegs fand ich ge­nü­gend Spu­ren, die dar­auf hin­deu­te­ten, dass er oft ge­öff­net wor­den war. Bon­bon­pa­pier, das zwi­schen den Bü­schen lag, zeig­te, daß sich hier des öf­te­ren Kin­der tra­fen und Le­cke­rei­en aßen.
    Der Ein­stieg wur­de über­wacht. Ich ging über die Stra­ße und lief her­um, be­nahm mich un­auf­fäl­lig. Ich ent­schloß mich, bis um ein Uhr zu war­ten. Dann wa­ren die

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