Der Esper und die Stadt
lebte. Die beiden alten Häuser waren durch einen überdachen Laufgang und eine Vordermauer miteinander verbunden gewesen. Das, was vorher außen gelegen hatte, lag nun innen. Die Häuser selbst hatte man mit Kreuzbalken abgestemmt.
Ich saß auf einem Eisenträger, ließ die Beine baumeln und dachte nach. Und während ich nachdachte, untersuchte ich die Fenster mit der Lampe. Ich hätte durch jedes von ihnen klettern können, aber in dem Haus, das mir gegenüberlag, hatten wir als spielende Kinder Büroräume entdeckt, die noch benutzt wurden. Da wir ein Spiel spielten, das wir ernst nahmen, taten wir so, als wären wir UNO-Spione, die sich bemühten, eine arabische Verschwörung gegen den Frieden aufzudecken. Wir nahmen uns vor, die hinter diesen Mauern geführten Telefongespräche und Konferenzen der wichtigsten arabischen Führer zu belauschen. Aber wir waren nie zurückgekehrt, um dies zu tun.
Es würde nicht schwer sein, die hinter diesen Wänden geführten Gespräche zu belauschen, denn die Araber hatten die hinter den Fenstern liegenden Räume mit Zwischenwänden versehen. Zwischen ihnen und den Außenmauern der Häuser gab es genug Platz, um sich zu bewegen.
Ich glitt über den Eisenträger, indem ich mich mit den Händen voranzog, statt aufzustehen. Das Fenster auf dieser Seite war alt und verwittert, aber wir hatten vor sieben Jahren das Schloß geknackt und die Schiene geölt, in der es lief. Zum Glück verfügte es über teure Kugellager. Ich schob das Fenster nach oben. Es bewegte sich leicht und machte nur ein schwaches Geräusch. Dahinter war es dunkel und roch nach imitiertem Leder, einer Klimaanlage und Kaffee.
Ich spürte, daß ganz in der Nähe jemand aufmerksam geworden war. Es war ein Gefühl der Vorsicht, das ganz plötzlich kam und zu stark war. Jemand hatte das Geräusch gehört. Aber das war nicht allzu schlimm. Ich mußte mich jetzt nur still verhalten. Denn wenn ein Geräusch, das man gehört hat, sich nicht wiederholt, langweilt man sich schnell und verliert die Geduld.
Ich packte den Sims mit beiden Händen, zog mich durch das Fenster hinein, achtete darauf, daß ich nirgendwo anstieß und stellte dann ein Bein langsam und vorsichtig auf den Boden, bis ich sicher war, daß dieser mein Gewicht trug, ohne zu knarren. Als ich die Lampe ausschaltete, sah ich helle Lichtstreifen. Sie kamen durch die Spalten zwischen den Sperrholzplatten, die die Innenwand bildeten. Die Fugen der Platten bestanden aus langen, durchsichtigen Plastikstreifen, die sie von allen Seiten umgaben. Es war nicht schwer, durch sie hindurchzusehen.
In dem Raum waren nur Schreibtische.
Ahmeds Stimme kam aus einem anderen Zimmer. Sie hörte sich gekünstelt, tief und wichtigtuerisch an, als würde er auf einer Bühne stehen. „Selim, der Sand hat eine Antwort gegeben. Du wirst niemals Kommandant des Flüchtlingslagers werden. Dieser Weg führt in den Tod.“
„Danach habe ich nicht gefragt!“ antwortete eine wütend brüllende Stimme.
„Er liest im Sand, und der Sand liest deine Träume, Selim.“ Eine andere Stimme lachte. „Bereite dich auf ein kurzes Leben vor.“
Andere Stimmen lachten und johlten auf arabisch. Leute bewegten sich herum. Möbel rücken.
In dem Lärm, den sie machten, gingen die von mir erzeugten Geräusche, als ich die Sperrholzwand wie unter einem Erdbeben erzittern ließ, völlig unter.
Es gab einen weiteren Wortwechsel zwischen Ahmed und Selim, den ich so deutete, daß Ahmed den anderen mit seinem komplizierten Gerede auf die Palme brachte. Dann krachte es, und ich hörte einen Streit. Ich sah durch den Spalt und war bereit, geradewegs durch die Wand zu stürmen, sollte Ahmed in Schwierigkeiten stecken.
Zwischen den Kaffeetischchen
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