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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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leb­te. Die bei­den al­ten Häu­ser wa­ren durch einen über­da­chen Lauf­gang und ei­ne Vor­der­mau­er mit­ein­an­der ver­bun­den ge­we­sen. Das, was vor­her au­ßen ge­le­gen hat­te, lag nun in­nen. Die Häu­ser selbst hat­te man mit Kreuz­bal­ken ab­ge­stemmt.
    Ich saß auf ei­nem Eis­en­trä­ger, ließ die Bei­ne bau­meln und dach­te nach. Und wäh­rend ich nach­dach­te, un­ter­such­te ich die Fens­ter mit der Lam­pe. Ich hät­te durch je­des von ih­nen klet­tern kön­nen, aber in dem Haus, das mir ge­gen­über­lag, hat­ten wir als spie­len­de Kin­der Bü­ro­räu­me ent­deckt, die noch be­nutzt wur­den. Da wir ein Spiel spiel­ten, das wir ernst nah­men, ta­ten wir so, als wä­ren wir UNO-Spio­ne, die sich be­müh­ten, ei­ne ara­bi­sche Ver­schwö­rung ge­gen den Frie­den auf­zu­de­cken. Wir nah­men uns vor, die hin­ter die­sen Mau­ern ge­führ­ten Te­le­fon­ge­sprä­che und Kon­fe­ren­zen der wich­tigs­ten ara­bi­schen Füh­rer zu be­lau­schen. Aber wir wa­ren nie zu­rück­ge­kehrt, um dies zu tun.
    Es wür­de nicht schwer sein, die hin­ter die­sen Wän­den ge­führ­ten Ge­sprä­che zu be­lau­schen, denn die Ara­ber hat­ten die hin­ter den Fens­tern lie­gen­den Räu­me mit Zwi­schen­wän­den ver­se­hen. Zwi­schen ih­nen und den Au­ßen­mau­ern der Häu­ser gab es ge­nug Platz, um sich zu be­we­gen.
    Ich glitt über den Eis­en­trä­ger, in­dem ich mich mit den Hän­den vor­an­zog, statt auf­zu­ste­hen. Das Fens­ter auf die­ser Sei­te war alt und ver­wit­tert, aber wir hat­ten vor sie­ben Jah­ren das Schloß ge­knackt und die Schie­ne ge­ölt, in der es lief. Zum Glück ver­füg­te es über teu­re Ku­gel­la­ger. Ich schob das Fens­ter nach oben. Es be­weg­te sich leicht und mach­te nur ein schwa­ches Ge­räusch. Da­hin­ter war es dun­kel und roch nach imi­tier­tem Le­der, ei­ner Kli­ma­an­la­ge und Kaf­fee.
    Ich spür­te, daß ganz in der Nä­he je­mand auf­merk­sam ge­wor­den war. Es war ein Ge­fühl der Vor­sicht, das ganz plötz­lich kam und zu stark war. Je­mand hat­te das Ge­räusch ge­hört. Aber das war nicht all­zu schlimm. Ich muß­te mich jetzt nur still ver­hal­ten. Denn wenn ein Ge­räusch, das man ge­hört hat, sich nicht wie­der­holt, lang­weilt man sich schnell und ver­liert die Ge­duld.
    Ich pack­te den Sims mit bei­den Hän­den, zog mich durch das Fens­ter hin­ein, ach­te­te dar­auf, daß ich nir­gend­wo an­s­tieß und stell­te dann ein Bein lang­sam und vor­sich­tig auf den Bo­den, bis ich si­cher war, daß die­ser mein Ge­wicht trug, oh­ne zu knar­ren. Als ich die Lam­pe aus­schal­te­te, sah ich hel­le Licht­strei­fen. Sie ka­men durch die Spal­ten zwi­schen den Sperr­holz­plat­ten, die die In­nen­wand bil­de­ten. Die Fu­gen der Plat­ten be­stan­den aus lan­gen, durch­sich­ti­gen Plas­tik­strei­fen, die sie von al­len Sei­ten um­ga­ben. Es war nicht schwer, durch sie hin­durch­zu­se­hen.
    In dem Raum wa­ren nur Schreib­ti­sche.
    Ah­meds Stim­me kam aus ei­nem an­de­ren Zim­mer. Sie hör­te sich ge­küns­telt, tief und wich­tig­tue­risch an, als wür­de er auf ei­ner Büh­ne ste­hen. „Se­lim, der Sand hat ei­ne Ant­wort ge­ge­ben. Du wirst nie­mals Kom­man­dant des Flücht­lings­la­gers wer­den. Die­ser Weg führt in den Tod.“
    „Da­nach ha­be ich nicht ge­fragt!“ ant­wor­te­te ei­ne wü­tend brül­len­de Stim­me.
    „Er liest im Sand, und der Sand liest dei­ne Träu­me, Se­lim.“ Ei­ne an­de­re Stim­me lach­te. „Be­rei­te dich auf ein kur­z­es Le­ben vor.“
    An­de­re Stim­men lach­ten und johl­ten auf ara­bisch. Leu­te be­weg­ten sich her­um. Mö­bel rücken.
    In dem Lärm, den sie mach­ten, gin­gen die von mir er­zeug­ten Ge­räusche, als ich die Sperr­holzwand wie un­ter ei­nem Erd­be­ben er­zit­tern ließ, völ­lig un­ter.
    Es gab einen wei­te­ren Wort­wech­sel zwi­schen Ah­med und Se­lim, den ich so deu­te­te, daß Ah­med den an­de­ren mit sei­nem kom­pli­zier­ten Ge­re­de auf die Pal­me brach­te. Dann krach­te es, und ich hör­te einen Streit. Ich sah durch den Spalt und war be­reit, ge­ra­de­wegs durch die Wand zu stür­men, soll­te Ah­med in Schwie­rig­kei­ten ste­cken.
    Zwi­schen den Kaf­fee­tisch­chen

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