Der Esper und die Stadt
auf der Schulter. Er hatte jeglichen Widerstand aufgegeben. Selbst wenn es pottschwarz hier draußen war: Er hatte möglicherweise begriffen, daß er zwei oder drei Stockwerke in die Tiefe fallen und auf dem Müll des alten Gehwegs landen würde, wenn er sich rührte. Wir befanden uns zwischen zwei Gebäuden. Ich rutschte weiter und berührte Ahmeds Arm. Er zitterte und roch nach zwei Tagen schweißtreibender Angst. Ich antwortete beruhigend: „Nein, du denkst gut. Ich meine nur, du gibst keine Vibrationen ab. Du fühlst überhaupt nichts.“
„Ich würde an deiner Stelle nicht darauf wetten.“ Er lachte krächzend und versuchte aufzustehen. Als er seine Arme durch das Loch in der Wand steckte, machte er kratzende Geräusche. Er stand unbeweglich da, bis ich gegen seinen Unterschenkel stieß. Dann kroch er vorwärts und half mir, den Körper des gefesselten Araberführers durch das Loch und auf die Treppe zu hieven. Ich marschierte drei Stockwerke in die Tiefe und hatte dabei die ganze Zeit Hisham auf der Schulter. Ahmed ging voraus. Am Fuß der Treppe lauschte er. Dann öffnete er die mit Zement verkleidete Tür einen Spalt weit und ließ Licht herein.
Da niemand diesen Korridor bewachte, liefen wir schnell in den anderen Gang und zu dem alten Abflußrohr.
Es erinnerte mich an die Zeit, in der ich acht gewesen und zusammengeschlagen worden war, deswegen steckte ich eine Menge Herz in die Lauferei. Aber ich war immer noch überrascht, als wir das Abflußrohr erreichten, ohne daß sie uns schnappten. Ich bildete mir ein, eine Menge Stimmen zu hören, die hinter uns waren. Vielleicht waren sie auch wirklich da. Ahmed war bereits in dem Rohr. Ich kletterte rückwärts hinein und zog Akbar Hishams gefesselten Körper hinter mir her. Er sollte unsere Geisel sein. Die Stimmen aus der Erinnerung blieben in meinen Ohren. Ich zuckte unter imaginären Schlägen.
Akbar Hisham krümmte und drehte sich. Als ich ihn an den Schultern hinter mir herzog, versuchte er den Kopf zu heben, damit er nicht gegen den Röhrenboden knallte.
Aus den eingebildeten Stimmen wurden echte. Es war nicht das schrille Geschrei der Kinder, die mich damals, als ich acht war, eingeholt hatten. Vom Ende der Kanalisation kamen Rufe.
Der Historiker und Führer von Arabisch-Jordanien zuckte und maß mich mit einem verzweifelten Blick. Er kaute auf seinem Knebel und wollte offenbar etwas Wichtiges sagen. Möglicherweise drohten die Verfolger, auf uns zu schießen oder Bomben zu werfen.
Ich riß ihm das Band über den Kopf, das seinen Knebel hielt, und sofort fing Hisham an, auf arabisch etwas zu rufen.
Das Gebrüll und die Echos der aufgebrachten Stimmen verstummten sofort. Hisham stand ihnen im Weg; schießen konnten sie also nicht auf uns. Ich zog ihn noch ein Stückchen mit, aber da es eine Entführung gewesen wäre, wenn wir ihn mit nach draußen genommen hätten, ließ ich ihn wie einen Stöpsel in der Kanalisation zurück und kroch rückwärts dem Licht entgegen. Schließlich stieg ich die Leiter des Einstiegslochs hinauf und landete inmitten des Parks, der den Mittelpunkt der Straße einnahm.
Auf den öffentlichen Straßen und zwischen den Menschen, die sich hier bewegten, waren wir zwar laut Gesetz sicher, aber die Mauern von Arabisch-Jordanien waren auch noch da, und von den Fenstern her brüllte man uns etwas nach. Ahmed und ich rannten los. Wir duckten uns und liefen im Zickzack, um eventuellen Laserschüssen zu entgehen, bis wir die Stufen der Subway erreicht hatten. Ich war im Nu unten, aber als ich mich umsah, stellte ich fest, daß Ahmed immer nur eine Stufe nahm und sich dabei am Ge länder festhielt. Also lief ich – immer zwei Stufen nehmend – zurück, deckte ihm den Rücken und hielt nach Arabern
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