Der Esper und die Stadt
Gegenspur, auf der normalerweise das andere Pferd lief und duckte mich, bereit, ihm die Lanze zu entreißen und ihn vom Pferd zu ziehen. Da er sein Visier vor dem Gesicht hatte, konnte ich zwar weder sehen, wer er war, noch was er für einen Gesichtsausdruck hatte, aber die Stimme kam mir bekannt vor. Frank.
Als es näher kam, wurde das Pferd langsamer. Frank riß an den Zügeln und trat auf die Bremsen. „Ich weiß, was du im Schilde führst, Schurke“, rief er aus. „Auf diese Weis’ ist schon so manch tapfrer Recke von einem Bauer genasführt worden. Ich ford’re dich heraus. Leg’ Rüstung an, und schwing’ dich in den Sattel.“
Wieder riß er an den Zügeln. Das mechanische Pferd blieb quietschend auf den Schienen stehen. Der Mann nahm Helm und Visier ab und zeigte sein grinsendes Gesicht. „Na, habe ich nicht den richtigen Tonfall drauf? Morgen, George.“
„Morgen, Frank. Aber Spaß beiseite. Ich hab jetzt einen Job; so was wie ’n Detektiv-Job. Ich suche einen Vermißten, der vielleicht irgendwo in einen Aufzugschacht gefallen ist.“
„Wie schade“, sagte der Wissenschaftler ernüchtert. „Wie kann ich dir helfen?“
„Wenn ich mich in seine Persönlichkeit einstimmen könnte, kann ich ihn mit ESP finden“, sagte ich und lehnte mich gegen das weiche Fell des Pferdes. „Aber ich kenne den Mann nicht. Ich muß wissen, wie er ist. Sein Name ist Carl Hodges.“
„Was macht er doch gleich wieder? Ich glaube, ich erinnere mich an ihn.“ Frank schwang ein Bein über den Pferderücken und sprang zu Boden. Die Lanze mit dem Boxhandschuh steckte nun in einer Halterung. Er zog die schweren Handschuhe aus. Er war nur ein junger Bursche mit gesunder Ausstrahlung.
„Er macht Schadensvoraussagen“, sagte ich. „Und er spielt gerne ein Spiel, das Stadtschach heißt. Kennst du ihn?“
Der andere Mann holte sich eine Tasse Tee aus einem Spender und kam zu uns herübergehumpelt.
„Stadtschach? Es ist kein Stadtschach, sondern Strategie und Taktik, Spiel Fünfundzwanzig, Sabotage und Fünfte Kolonne. Jemand hat mal gesagt, es sei ein bildendes Spiel. Die Polizei hat es anders eingestuft: als anstachelnd zum Aufruhr und Töten. Deswegen ist es verboten. Wenn wir es spielen, nennen wir es Stadtschach. Ich habe es seit zwei Jahren nicht mehr gespielt.“
Frank bemühte sich, sich zu erinnern. „Im letzten Dezember habe ich es mit einem Burschen gespielt. Wir saßen im Unterhaltungsraum. Wir schalteten das Computer-Terminal ein und legten voll los. Es war ein magerer Kerl, etwas kleiner, und er hielt den Mund geschlossen. Hat auch nicht viel geredet. Er gewann.“
„Hatte wohl mehr drauf als du, was, Frank?“ fragte Franks Partner.
Die Beschreibung paßte auf Carl Hodges. Ich hörte zu und versuchte mir vorzustellen, wie Carl Hodges mit Frank Schach gespielt hatte. Beide benutzten für die Kalkulation ihrer Züge die Computertastatur.
„Weiß ich nicht genau“, sagte Frank. „Wenn er einen Punkt verliert, ist er jedenfalls tieftraurig. Da er New York einfach zu gut kennt, sabotierten wir eine andere Stadt, ich glaube Brüssel. Ich hätte gewinnen können, aber mir fielen dauernd irgendwelche Züge ein, die ich vermeiden mußte, weil ich sonst Fakten preisgegeben hätte, die wir im Auftrag der UNO studiert und in den Giftschrank geschlossen hatten. Man hatte uns vergattert, damit wir bloß nicht darüber redeten. Und wenn ich darüber nachdachte, was ich nun tun und nicht tun durfte, geriet ich immer mehr ins Hintertreffen. Ich konnte Hodges’ Strategie nicht mehr folgen und verlor.“
Ich schloß die Augen und stimmte mich auf Frank ein. Vorsichtig versuchte ich mich durch den Irrgarten seiner Erinnerungen zu schlängeln. Gespeicherte Gefühle: Ärger, Alarmbereitschaft, Kampfgeist. Und die Gefühle eines anderen. Der
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