Der Esper und die Stadt
Ausdruck an. Ich wartete darauf, daß er aufgab. Hinter uns lagen zahlreiche Jahre, in denen ich alles getan hatte, was er wollte, und zwar auf der Stelle. Ich hatte mich sogar immer geehrt gefühlt, wenn er mir etwas auftrug. Aber nun war mir das völlig egal.
Ahmed ließ seine Hand mit dem Armbandsender sinken und schaltete ihn mit einem Seufzen ab.
Wenn Ahmed wirklich mehr auf dem Kasten hatte als Larry, dann sollte er mir lieber Erklärungen geben statt Befehle.
„Ahmed, hast du Larry wirklich für einen Irren gehalten, als du zuhörtest, was er sagte?“
„Nein.“
„Warum tust du dann so, als sei er verrückt?“
Ahmed wollte mir eine wütende Antwort geben, aber dann hielt er sich zurück und sagte die Wahrheit. „Die Sachen, über die er spricht, sind gefährlich. Sie können die größten Schwierigkeiten hervorrufen.“
„Und warum?“ Ich versuchte ihn zum Weiterreden zu bringen. Ich wollte was von den Gedanken mitbekommen, die in seinem Langschädel abliefen.
„Weil es so etwas wie eine natürliche Kampfansage ist, wenn jemand behauptet, irgendeine Gruppe wolle der deinen ans Leder. Wer so was sagt, sucht nach einem Alibi, um sich mit seinesgleichen zusammenzutun und andere umzubringen.“
„Ich habe nicht vor, jemanden umzubringen.“
Ich wurde plötzlich wütend, wischte mir die Finger mit einer Serviette ab und stand auf. Es war vielleicht nicht Ahmeds Schuld, aber in letzter Zeit machte mich alles wütend, was er sagte. „Ich will nur ein paar Tatsachen.“
Ahmed klopfte mit einer Gabel auf den Tisch.
„Setz dich hin, George. Ich glaube, ich kann es dir erklären. Da sie per Computer ausgesucht werden, sind die Leute daran gewöhnt. Freunde und Nachbarn zu haben, die gleiche Interessen und Ansichten vertreten. Über das, was richtig ist, sind sie einer Meinung. Sie sind nicht daran gewöhnt zu differenzieren. Andere Lebenseinstellungen sind für sie falsch.“
Ich stand immer noch neben dem Tisch. „Die Filme über die Geschichte der Demokratie sagen aus, daß die Gesetze, die das Recht auf Andersartigkeit und das Recht auf Intimsphäre schützen, erst in modernen Zeiten eingeführt wurden. Damit es besser und nicht schlechter wird.“
„Würdest du bitte zuhören? Daß die Dinge schlechter werden, habe ich nicht gesagt. Ausgewählte sind glücklicher. Noch vor kurzem hing man der Idee an, man müsse alles vermischen. Die Leute sollten zusammenleben und nach außen hin alle gleich erscheinen: Geschäftsleute, Künstler, Puritaner, Tänzerinnen, Schwarze und andere ethnische Gruppen. Leute, von denen jeder andere Ansichten über das hat, was Vergnügen macht. Sie waren einsam, denn sie mußten so tun, als gehörten sie dem Durchschnitt an – und lebten dabei inmitten von Leuten, die sich nicht verstanden.“
„In unserer UN-Bruderschaft waren wir auch alle durcheinandergemischt“, wandte ich ein. „Wir hatten ’ne gute Freundschaft unter uns. Es war eine prima Bande.“
Daß ich Widerworte gab, war Ahmed neu. Er blickte einen Moment auf seine Hand, die die Gabel hielt, preßte die Lippen aufeinander und runzelte finster seine schwarzen Brauen. Dann holte er tief Luft und riß sich zusammen. Als er weiterredete, tat er so, als würde er zu einem völlig Fremden sprechen.
„George, wie würdest du einen schüchternen Burschen nennen, der Interesse an Philosophie und Religion entwickelt, behauptet, Jesus Christus befinde sich in jedem Menschen, und dann sagt, alle Sünder der Welt hätten eine solche Sündenlast aufgetürmt, daß die, die jetzt leben, so schwer daran zu schleppen haben, daß sie neurotisch geworden sind, deswegen nicht mehr umkehren und freundlich sein können und zu einem Leben in der
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