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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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Höl­le ver­dammt sind? Und dann geht er hin und sagt, er wür­de die ar­men Schwei­ne da­durch ret­ten, in­dem er für sie lei­den und von ih­rer Schuld be­frei­en will. Und er setzt sich hin und me­di­tiert zwei Wo­chen oder ein Jahr und re­det kein Wort. Wenn du ihn dann nach sei­nem Na­men fragst, wird er viel­leicht sa­gen: Je­sus Chris­tus. Was ha­be ich da ge­ra­de be­schrie­ben?“
    „Einen der net­tes­ten klei­nen Bur­schen aus der Kar­mi­schen Bru­der­schaft.“ Ich er­in­ner­te mich an ein run­des, bär­ti­ges Ge­sicht mit kind­li­chen Au­gen, ei­ner schüch­tern stot­tern­den Stim­me und lie­ben Vi­bra­tio­nen. Er strahl­te die Freund­lich­keit re­gel­recht aus, war aber zu schüch­tern, um zu spre­chen.
    Ah­med schau­te zu mir auf. Sei­ne Au­gen ver­eng­ten sich, und sein Ge­sicht wur­de här­ter. „Was wür­de man mit so ei­nem tun?“ frag­te er.
    „Was meinst du da­mit, mit ihm tun?“ Ich war ver­wirrt. „Man wür­de ihm sei­ne Mahl­zei­ten brin­gen. Und selbst wenn er die Welt nicht ret­tet: daß er es ver­sucht, ist an­er­ken­nens­wert.“
    „Kann man ihn zum Ar­bei­ten be­we­gen?“
    „Er ar­bei­tet doch.“ Ich stell­te fest, daß mei­ne Stim­me lau­ter ge­wor­den war. Ich zwang mich zum Hin­set­zen und re­de­te lei­se wei­ter. „Ich weiß nicht, auf was du hin­aus­willst. Er gibt doch sein Bes­tes und tut, was er kann. Er ver­sucht es. Und er ist ihr Bru­der. Er ge­hört zu ih­nen.“
    „Ge­or­ge, in den vier­zi­ger und fünf­zi­ger Jah­ren hät­te man einen sol­chen Bur­schen als par­ti­ell ka­ta­to­ni­schen Schi­zo­phre­nen mit re­li­gi­öser Be­ses­sen­heit und Grö­ßen­wahn ein­ge­stuft. Die Ärz­te hät­ten ihn in einen fens­ter­lo­sen Raum ge­sperrt, wä­ren je­den Tag zu ihm ge­kom­men und hät­ten ihn in ei­ne Zwangs­ja­cke ge­steckt. Sie hät­ten ihn in ein an­de­res Zim­mer ge­bracht und ihm Elek­tro­schocks ins Ge­hirn ge­ge­ben. Die­se Schocks sind sehr schmerz­haft; sie las­sen einen zu­sam­men­zu­cken und kön­nen Kno­chen bre­chen. Wenn man kei­ne Vor­sichts­maß­nah­men er­grif­fen hät­te, hät­te er sich die Zun­ge ab­ge­bis­sen. Er hät­te ge­brüllt, uri­niert, un­ter sich ge­macht und einen ho­hen Blut­druck be­kom­men. Und nach­dem man ihn weg­ge­bracht und wie­der auf­ge­weckt hät­te, hät­te er sich zwar nicht mehr an die Be­hand­lung er­in­nern kön­nen, aber das Grau­en wä­re so­fort wie­der­ge­kom­men, wenn er auch nur in die Nä­he der Tür ge­kom­men wä­re, die in die­sen Raum hin­ein­führt. Die Kran­ken­hau­särz­te hät­ten ihm zwan­zig Be­hand­lun­gen die­ser Art ver­paßt – und pro Be­hand­lung fünf Schocks ver­ab­reicht. Und dann hät­te man ihn ge­fragt, ob er im­mer noch glau­be, Je­sus Chris­tus zu sein. Soll­te er dann im­mer noch sa­gen: Ja, ich lei­de für die Mensch­heit – wä­re al­les wie­der von vorn los­ge­gan­gen. Uns so wei­ter. Es kam vor, daß Men­schen mit ei­nem schwa­chen Her­zen in die­sen Schock­the­ra­pieräu­men star­ben.“
    Ich hör­te ein Brau­sen in mei­nen Oh­ren und sah weiß. Ich schlug ner­vös die Fäus­te ge­gen­ein­an­der, aber so kann man die Pflicht auch nicht ab­schüt­teln. Man möch­te zu­schla­gen, ob­wohl man weiß, daß das gar nichts be­wirkt.
    Mei­ne Stim­me war plötz­lich kaum noch zu hö­ren, nur noch ein Flüs­tern: „Und wer hat sol­che Kran­ken­häu­ser ge­führt? Az­te­ken? Sa­dis­ten?“
    „Nun ja.“ Ah­med lehn­te sich zu­rück. „Als die Zeit dann kam und man die Per­sön­lich­keit­s­ty­pen aus­sor­tier­te, fand man her­aus, daß die meis­ten Men­schen, die in sol­chen Kran­ken­häu­sern tä­tig wa­ren, zur Grup­pe der Sa­do­ma­so­chis­ten ge­hör­ten. Jetzt ha­ben die Com­pu­ter­sys­te­me al­le Sa­dis­ten und Sa­do­ma­so­chis­ten aus­sor­tiert, und sie kön­nen in al­len Städ­ten in ei­ge­nen Kom­mu­nen le­ben. Jetzt blei­ben sie aus dem Kran­ken­h­aus­dienst raus. Du siehst al­so, Ge­or­ge, das Aus­wahl­sys­tem hilft.“
    Ich schau­te auf den Tisch. „Ye­ah. Okay, red nicht mehr dar­über. Es sind wirk­lich net­te Bur­schen in den Bru­der­schaf­ten. Ich wür­de je­den um­brin­gen, der …“ Ich schwitz­te und

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