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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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Generäle und Würdenträger, die Vertreter des Kaisers und die ausländischen Bevollmächtigten zwanglos treffen können. Aber das Ergebnis war doch die Ablehnung aller kaiserlichen Angebote durch Rakoczy gewesen. Die Wiedereinsetzung in alle seine Güter und Würden, die Verleihung der Markgrafenschaft Burgau als unmittelbares Reichsfürstentum sowie andere Versprechungen hatten ihn nicht umstimmen können. Dieses Zusammentreffen war das letzte der Ehegatten gewesen. Sie hatten sich nicht wiedergesehen.
    Der Krieg war weitergegangen und hatte erst mit dem karolyschen Friedensschluß vom ersten Mai 1711 sein Ende gefunden. Das Ergebnis war gewesen: Habsburg behielt die ungarische Königskrone; aber der Versuch, das Land zur österreichischen Provinz zu machen und die Nation in ein willfähriges Völkergemisch einzuschmelzen, war gescheitert. Seitdem wagte Wien es nicht mehr, die Rechte und Freiheiten des ungarischen Volkes einfach zu übersehen. Allerdings Volk ... In einem Beschluß des ungarischen Reichtages wurde einmal, um jeder Vermessenheit zuvorzukommen, genau festgestellt, was unter ,Volk‘ zu verstehen sei, nämlich die Magnaten, die Prälaten, der niedere Adel. . . und sonst nichts.
    Immerhin war das Durchhalten in einem gnadenlosen Krieg von acht Jahren auch und vor allem von Rakoczy eine Leistung gewesen, die seinen Ruhm und das politische Ansehen, das er genoß, begreiflich machte. Ganz zuletzt hatte er noch im Friedensvertrag die Wiedereinsetzung seiner Kampfgefährten in Besitz und Recht durchgesetzt, er selbst sich aber nicht darin aufnehmen lassen und den Friedensvertrag auch nicht unterschrieben. Alle Angebote hatte er zurückgewiesen und es vorgezogen, mit dem Verlust alles persönlichen Besitzes ins Exil zu gehen.
    Einige Jahre hatte er als Mönch im französischen Kloster Grosbois zugebracht und war von dort erst nach Konstantinopel gekommen, als er geglaubt hatte, seine Rolle als unbeugsamer und ungebeugter Prätendent wieder aufnehmen zu können. Durch diesen Plan hatte der Friede von Passarowitz einstweilen einen Strich gemacht.
    Die Söhne des Fürsten, die Herzöge von Munkacz und Nakowicz, waren in Wien zurückgehalten worden. Wenn man Bonneval glauben wollte - und ein Lügner war er nicht —, so hatte der Graf beim Tode der Fürstin, ihrer Mutter, erst das Geld für anständige Trauerkleider geben müssen.
    Bonneval und Rakoczy waren zweierlei Welten. Rakoczy hatten äußere Einwirkungen und nicht eigener Wille in den Wirbel gestürzt, in dem er sich ehrenvoll behauptet hatte. Bonneval rührte seinerseits die Wirbel an, um sich aus ihnen wider Erwarten und zur Verblüffung aller glanzvoll herauszuziehen.
    Keiner konnte den andern ausstehen.

17
    „Stell dich nicht so an, Miriam. Wenn du eine feine Dame sein willst, mußt du dir auch die Troddeln auf der Schnauze gefallen lassen.“
    Das sagte Julienne ohne Rücksicht darauf, ob Miriam auch wirklich eine feine Dame sein wolle. Miriam wollte es keineswegs und wehrte sich gegen diese Unterstellung dadurch, daß sie besagte Schnauze in die Luft warf und schnaubte.
    „Die Hanum sollte Nuuman nehmen“, rief Seineb. Sie war ein vierzehnjähriges Küchenmädchen. Nach Glanz verlangte es sie - für sich natürlich, aber auch für die Herrin, der sie, obwohl sie zur Kritik neigte, nicht abgeneigt war. „Er stampft schon, der Nuuman“, fügte die Kleine noch hinzu, „weil er hinauswill, stampft er.“
    Für den hochbeinigen südarabischen Eselhengst aus dem edlen Blute von Maskat hatte sie eine Vorliebe, fast Verehrung. Natürlich stand er ganz allein für sich in seiner eigenen Box, und in sein wundervolles, gepflegtes, nahezu weißes Fell waren an den Beinen zierliche Ornamente eingeschoren.
    Trotzdem wollte Julienne ihn nicht. Nuuman war wertvoller als ein Pferd von Geblüt, und wenn der Esel mit seinem schnellen, harten Tritt hochmütig die Straßen durcheilte, fiel er auf - sein Reiter oder gar seine Reiterin mit ihm. Das aber war es gerade, was Julienne nicht wollte. Lieber nahm sie davon Abstand, ihre brave, völlig stammbaumlose Eselin mit einem geknüpften Stirnnetz und bunten Troddeln zu schmücken. Über die Jahre der Eitelkeiten war Miriam hinaus. Sie war erst zufrieden, als man ihr das gewohnte Geschirr aus Stricken und einigen Stückchen Leder anlegte. Ein Markt- und Küchenesel war sie — zu etwas anderem ließ sie sich nicht gebrauchen, und ihren Eigensinn zu reizen, war nicht ratsam. Einen Sattel hätte sie sich niemals

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