Der Eunuch
auflegen lassen, wohl aber Säcke. So mußte es denn ein Heusack tun, der ihr zu beiden Seiten herniederhing und auf den die Hochgeborene sich nun schwang. So war es gut. Es hätte nicht des gellenden „Yalla, yalla“ Seinebs bedurft, um sie anzutreiben. Sie klapperte auch so schnell genug dahin.
Mit geringer Begeisterung folgte Seineb auf Miriams Sohn der Herrin. Für sie war ein Ritt in die Stadt ein Ereignis, nur hätte sie sich ihren Einzug festlicher gewünscht: in den Sätteln zweier Maskatesel, sie selbst in ihrer roten Hose, dem blauen Kittel, mit weißem Kopftuch, eben solchem Schleier und mit einem Stöckchen aus fremdländischem Rohr zum Antreiben in der Hand. Statt dessen waren Kopftuch und Schleier schwarz wie die der Hanum und alles andere auch. Wie zwei Landmädchen, die zu Markt ritten, waren sie anzuschauen.
Den Eseln machte das nichts aus. Sie kannten den Weg und waren durch nichts zu beirren. Durch die Viertel von Ejub und Blachernen ging es immer tiefer hinein ins Gewirr der Straßen und Menschen bis zum Besestan, zum Basar. Dort harrte auf Seineb eine neue Enttäuschung. Julienne stieg ab und bedeutete ihr, mit den Eseln auf ihre Rückkehr zu warten. Unbefriedigt in ihrer Eitelkeit wie in ihrer Neugier sah Seineb mißfällig, wie ihre Dame im Basar untertauchte und sogleich auch schon verschwunden war, als sei sie nie gewesen. Keine Ahnung hatte Seineb gehabt, was dieser Ritt bezwecken solle, aber sich der Erwartung hingegeben, das Geheimnis mit der Gebieterin teilen zu dürfen. Und nun war es auch damit nichts.
„Sohn einer Hure!“ schrie sie im frischen Ärger ihren Esel an, als er versuchte, sich an einem Gemüsestand zu versündigen. „Erhältst du von mir nicht deinen Hafer, dein Heu, Gefräßiger? Sollen alle diese Leute über midi lachen, als fehlten mir die Mittel, dich zu sättigen, mir, die ich deine Herrin bin?“
Zugleich hatte die Vierzehnjährige auch schon flink ihren Schuh abgestreift und schlug, um den Eindruck ihrer Rede zu vertiefen, auf das diebische Maul. Nichts half ihm sein Protest mit lautem ,I-ah‘. Seinebs Lage wurde dadurch nicht gebessert. Es ist nichts leichter, als im Labyrinth des Basars und im Gewimmel seiner Menschen zu verschwinden. Wie hätte Seineb ihrer Herrin nachspüren können? Auch hätte sie es nicht gewagt, die Esel allein zu lassen. Aber so viele Menschen in den Basar hineingingen, auf irgendeine Weise kamen sie doch immer wieder heraus. Es fragte sich nur wo. Julienne machte keine Ausnahme. Sie verließ ihn beim Jenichan, wandte sich dem Hafen zu, um wiederum in einer Quergasse dadurch zu verschwinden, daß sie durch einen weiten Torbogen einen Hof betrat, in dem sich der Eingang zur Druckerei befand.
Auf der Diele standen Bänke für die wartenden Lastträger und Boten. In allen Behörden und Kaufmannsgewölben war es Brauch, daß sich diese Männer vor jedem ansehnlichen Besucher achtungsvoll erhoben. Auch in der Druckerei geschah es, allerdings erhoben sie sich nicht vor Julienne. Erstaunen löste sie aus, aber keine Achtung. Was wolle eine Frau aus dem Volk in der Druckerei? fragte man sich. Möge das neue Unternehmen, wie viele sagen, ein Werk des Scheitan sein, so sei es dodi, auch abgesehen von der Hoheit des Stifters, des Großwesirs Ibrahim, dessen Atem man durch die Schnur verkürzt habe, eine hohe und merkwürdige Sache, die für eine Frau ohne Eunuchen und Dienerinnen nicht der richtige Platz sei.
In der Schreibstube erging es ihr zunächst nicht viel besser. Drei Männer waren darin: einer im Druckerkittel, die beiden andern schienen ihr Männer der Feder und einer davon der Vorgesetzte zu sein. Auf ihr Begehren, zum Drucker Ibrahim zu wollen, wurde sie mit Herablassung und einem Lächeln behandelt, das zum Gelächter wurde, als sie erklärte, ihr Anliegen nur beim Baschi selbst Vorbringen zu können. Doch das Ausbleiben des Wortschwalls, der bei einer Frau aus dem Volk nahegelegen hätte, und die Art, wie Julienne das Türkische aussprach, mochte in dem Herrn Vorgesetzten Bedenken erweckt haben. Jedenfalls schickte er den Faktor und seinen Schreiber mit einem schweigengebietenden Blick hinaus, um sich dann dem weiblichen Wesen zuzuwenden, das ihm noch vor wenigen Augenblicken so eindeutig erschienen war. Der Baschi sei wohl da, meinte er, aber er könne sie jetzt wohl kaum empfangen, da er einen sehr hohen Besuch erwarte, und ob sie sich ihm, dem Kanzleivorstand, nicht anvertrauen wolle; er würde alles genau ausrichten.
Der
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