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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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sollte man den persischen Krieg Ali Hakimsades, des Arzt-sohnes, studieren. Es lohnt sich. Es ist beängstigend, wie er mit den Persern fertig wird. Und nun sehe man auf diese Menschen in ihren Ämtern, wie die Götter gekleidet und von einer Großartigkeit des Benehmens, die Könige und Kurfürsten beschämen könnte. Hinter all dem Unverständlichen muß doch ein Verständliches, eine treibende, regulierende Kraft sein, die wir nicht kennen!“
    „Trotz diesem Unverständlichen haben Sie bei Zenta, Peterwardein und Belgrad gesiegt.“
    „Meine Freundin ist gütig, sich dessen zu erinnern. Aber Sie sagen nichts über das Warum. Warum verloren die Türken diese Schlachten? Einiges wissen wir vielleicht. Wir könnten sagen, weil sie vorher zu oft gesiegt hatten, und falls es Bonneval gelingen sollte, sie das vergessen zu lassen und sie endlich einmal von ihrer heilig gehaltenen Schlachtordnung abzubringen . . .“
    „Bonneval - recht schön . . ., aber wie denkt mein Freund über den Harem?“
    „Ja .. Eugen zauderte. „Ja!“ rief er. „Hinter der Anonymität des Harems können sich viele Kräfte verbergen. Nicht abzuweisen ist dieser Einfall von Ihnen, Eleonore.“
    „Ein Einfall, den ich einem andern Mannsbild so leicht nicht zu unterbreiten gewagt hätte.“
    „Durchaus möglich, was Sie sagten.“ Noch einmal bekräftigte es Eugen. „An den jungen Sultan glaube ich nicht so recht“, fuhr er dann fort, „die Erziehung osmanischer Prinzen bringt kaum noch große Herrscher hervor. Das war anders in jenen Tagen, als sie nur die Wahl zwischen Thron und Schnur hatten.“
    Des Prinzen Zustimmung ermutigte die Gräfin.
    „Sie denken beim Harem natürlich zuerst an die Eunuchen. An den großen Narses etwa und solche Leute. Aber die Frauen?“ fragte sie mit einem sanften Lächeln. „Wollen Euer Liebden ihnen gar keine Chancen geben?“
    „Die Frauen...? Selbstverständlich die Fauen!“ Er sprang auf, um sich dann sehr tief über die Hand seiner Freundin zu neigen. „Wie ich das nur vergessen konnte“, sagte er, „in Ihrer Gegenwart, Eleonore! “ „Das ergab sich von selbst“, meinte sie mit seltenem Entgegenkommen, „Sie sprachen von den Türken, und die sind Männer. Aber was weiß man von den Frauen am Bosporus? Nichts. Diese Damen kommen aus allen Teilen eines Weltreiches, aus allen Teilen der Welt. Wir selbst haben aus unserem engsten Zirkel eine beigesteuert“, fügte sie hinterhältig hinzu.
    Es bestand für den Prinzen kein Zweifel, daß seine Nichte Julienne gemeint sei. Eugen aber dachte in diesem Zusammenhang weniger an seine Frau Schwester, wie er sie, wenn es nicht zu umgehen war, nannte, sondern an seinen Lebensretter Andlaw, seinen Stallmeister. Ihm gegenüber jedoch regte sich seit Juliennes Verschwinden immer noch das Gefühl einer unbeglichenen Schuld. Sehr behaglich war ihm der Gedanke an sein Fräulein Nichte also nicht.
    „Glauben Sie, daß sie noch lebt? Ich meine Julienne?“
    Ein Lachen war die Antwort.
    „Julienne ist kein Mädchen, das zugrunde geht“, erklärte die Gräfin mit einer Zuversicht, die beruhigen sollte.
    „Sie mögen sie nicht?“ fragte er dennoch so mißtrauisch wie nur möglich.
    „Sie mag mich nicht!“ trumpfte sie auf. „Das ist ein Unterschied, mein Lieber.“
    „Aber warum hat sie sich nie gemeldet? In dieser ganzen Zeit muß sie doch irgendwann einmal eine Gelegenheit gehabt haben, es zu tun.. .?“
    „Seien Sie versichert, daß sie in dieser ganzen Zeit an jedem Tag und in jeder Stunde eine Gelegenheit hatte“, erklärte seine Freundin mit dem ganzen Gewicht ihrer weiblichen Überlegenheit. „Aber vergessen Sie nidit, daß ein paar Wochen Ungarn ganz hübsch sein können; über zwanzig Jahre jedoch nichts als Ungarn .. .“
    Darüber konnte eine Dame wie die Gräfin nur die Achseln zucken, was ihr Freund Eugen als das empfand, was es sein sollte: als einen Vorwurf an das ganze männliche Geschlecht, die Junggesellen voran. „Ist sie hübsch?“ forschte er denn auch sichtlich zerknirscht.
    „Nicht gerade hübsch, doch mehr. Sie fesselt. Unsereins fügt sich in die Gesellschaft, um sich darin seinen Platz zu erobern und ihn zu halten. Julienne dagegen ist so ... so unbedingt. Man kann auch damit Erfolg haben; aber vielleicht erklärt Ihnen das, warum wir - sie und ich - einmal aneinander gerieten. Wegen einer Bagatelle, mein Lieber - wirklich nur eine Bagatelle! Sie regte sich darüber auf, weil ich eine Leibeigene auspeitschen ließ. Dabei

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