Der Eunuch
wiederum Kapudan Pascha ..."
„Aber ein Großadmiral als Kaffeewirt!“
Das sei gar nicht so übel, meinte Hassan, Dschanüm habe sein Kaffeehaus immer voll, allerdings von Leuten niedrigster Klasse. Weil er aus ihnen hervorgegangen sei, hänge alles See- und Hafenvolk an ihm wie an einem Gott. Nun ja, er, Hassan, habe in Padua studiert und verstehe sehr wohl die Verwunderung des geehrten Gastes. Aber ein Kaffeehaus bauen und Gewinn daraus ziehen, sei in der Türkei auch für einen Pascha mit drei Roßschweifen keine Schande, und hätte Dschanüm nicht geglaubt, als Kapudan die Pfortenbefehle übertreten zu können, wäre er heute noch Kapudan Pascha. Des Kaffeehauses wegen hätte man ihn nicht abgesetzt.
Für einen Grafen Bonneval aus königlicher Verwandtschaft war das ein wenig viel auf einmal. Kaffeehauswirt mit Pöbelkundschaft und zugleich Exzellenz? Aber er batte bereits in Serajewo einiges lernen müssen und brachte genug Wirklichkeitssinn auf, um sich zu sagen, daß ihm gar nichts anderes übrig bleibe, als den Weg, den er eingeschlagen habe, zu Ende zu gehen. Schließlich habe er selbst es ja auch mit seiner Grafen- und Generalswürde vereinbaren können, fiel ihm ein, sich kaiserlicher Lizenzen für Stahlerzeugung und überseeischen Handel geben zu lassen. Adel sei gewiß notwendig und darauf zu achten, daß er so vornehm wie nur möglich sei; aber sonst ... man lebe nicht mehr in den Zeiten der Kreuzzüge, es sei vielmehr angezeigt, den adligen Anspruch auf den Boden und den Arbeitsertrag der darauf lebenden Menschen zu erweitern, und zwar auf den Arbeitsertrag aller Nichtadeligen überhaupt. Monopole seien ebenso gut wie Land und Leute, die bürgerliche Kanaille . . .
Mit diesem Gedanken hatte der gescheite, geistvolle und weitschauende Bonneval die Grenze seiner Möglichkeiten erreicht und zugleich die Erkenntnis gewonnen, daß die Türkei auf dem Wege über die Monopole vielleicht doch einmal der Barbarei entrissen werden könne. Ein Geldadel sei immer noch besser als gar keiner und könne in Ermangelung eines Besseren der Beginn einer gesitteten Gesellschaft werden. Die drei Herren waren unterdessen bei ihrer Kaffeestube angelangt, die Hassan empfahl, und in diesem Punkt stimmte Bonneval mit dem gehobeneren Teil der Einheimischen überein: Dieser kleine niedrige Raum schien ihm viel vornehmer zu sein als das Kaffeehaus am Arsenal. Er fühlte sich hier ganz behaglich, und da die angenehmen Gerüche des Kaffees und der guten Tabake alle andern überboten, vermißte er nicht einmal den typischen Abendländergeruch, diese Verbindung von Schmutz- und Schweißdünsten, mit denen des Parfüms und des Puders. Nicht etwa, daß die Türken die Parfüms ablehnten. Im Gegenteil! Es gehörte zu den unerläßlichen Höflichkeiten, einen geehrten Besuch mit allem, was auf diesem Gebiet gut und teuer war, zu bestäuben; aber ebenso unerläßlich galt ihnen als Unterlage die frisch gewaschene, gebadete Haut. Unzählige Dampfbäder gab es in jeder türkischen Stadt. Es gab keine Paläste, keine anständigen Häuser ohne Badezimmer und kein noch so kleines Dorf ohne Dampfbad -selbst in den geheimsten Örtlichkeiten fand man noch Wasserkannen für sich ergebende Waschungen. Das erfolgte aus der Tatsache, daß Konstantinopel zu allen Zeiten nicht nur eine Kanalisation hatte, sondern unter dem einflußreichen Amt der Wasserbegeher auch seine Wasserleitung, ebenso wie Mekka und andere Großstädte des Reiches. Im Abendland hätte man vergeblich eine Stadt mit Kanalisation und Wasserleitung gesucht. In jedem Fall jedoch hatte das kleinste osmanische Dorf sein Bad, und am reichsten ausgestattet waren natürlich die Bäder der Moscheen. Im Islam war Baden Gottesdienst.
Dagegen schreckte selbst ein Freigeist wie Bonneval vor dem blasphemischen Gedanken einer Vereinigung von Bädern mit christlichen Kirchen zurück. Dem Moslemin aber galt es von je als Selbstverständlichkeit, ebenso wie Universitäten auch Armenküchen, Altersheime und Krankenhäuser in die religiösen Stiftungen der Moscheen einzuschließen, und ganz besonders die Bäder, die sich so gut mit der durch den Koran gebotenen Reinlichkeit vertrugen. Das war keine Besonderheit des Islams. Byzanz hatte es nicht anders gehalten, und dem entsprach das Verhalten der griechischen Christen in der Türkei und in Rußland. Bonneval war niemals im Reich der Zaren gewesen, aber, für alles interessiert, wußte er doch, daß die Altgläubigen dort durch die seidenen
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