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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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war. Zuweilen aber gab er auch Aufgaben zu lösen, die er selbst, an Konstantinopel geschmiedet, wie er war, nicht weiter verfolgen konnte. So hatte er eines Tages auf eine junge Dame aus dem berühmten Hause der Maurocordato hingewiesen, die am Hofe des Fürsten aufgetaucht sei, um dann wieder spurlos zu verschwinden. Die Meldung hatte Bohn, dessen liebenswürdiges Zeichentalent sich nicht mit der Anfertigung von Landkarten erschöpfte, mit einer aus dem Gedächtnis hingeworfenen Porträtskizze bereichert.
    Dieses Material war von Talmann mit Eifer aufgegriffen worden -bis jetzt allerdings ohne Erfolg. Jene Parteigängerin des Fürsten war in Konstantinopel für die österreichische Diplomatie kein Grund zur Aufregung. Gefährlich war sie erst geworden, nachdem sie sich durch ihr Verschwinden jeder Überwachung entzogen hatte. Man mußte sie finden. Die Nachforschungen hätten zwar an eine Wiener Stelle weitergegeben werden können; aber die Akten über die Baronesse vom Vorberg waren noch nicht geschlossen und würden zu Lebzeiten des Prinzen auch nicht geschlossen werden - Talmann hatte demnach eine Scharte auszuwetzen, die seine sonst so trefflichen Leistungen verunstaltete. Der Baronesse hatte er nicht habhaft werden können -die Prinzessin Maurocordato würde ihm seines Vermeinens nicht entgehen !
    Alles hatte auf die Walachei als Aufenthalt der Entschwundenen hingewiesen. Dort regierte das Familienoberhaupt Konstantin Maurocordato als von der Pforte eingesetzter Fürst. Doch weder an seinem Hofe nodi sonst irgendwo im fürstlichen Machtbereich war eine Dame entdeckt worden, auf die Bohns Beschreibung und das Porträt von Rakoczys Freundin gepaßt hätten. Unter gleichen Bedingungen wie die des Maurocordato war Gregor Gika Fürst der Moldau, und die beste Freundin der gesuchten Dame - das hatte man in Konstantinopel herausbekommen - war Elena Gika, eine Verwandte dieses Fürsten. Zu Talmanns Bedauern hatte jedoch das Ergebnis seiner Bemühungen in der Moldau dem in der Walachei geglichen.
    Die Angelegenheit schien ähnlich verlaufen zu wollen wie die der Baronesse vom Vorberg; aber zum Glück durfte man in diesem Fall vermuten, daß die gesuchte Dame das Osmanische Reich bereits verlassen habe. Talmann hätte dann als umsichtiger Beamter gehandelt und konnte daher mit bestem Gewissen den Akt an die Wiener Behörde abtreten. Das war geschehen. Aus dem erhofften Erfolg war zwar nichts geworden, dafür hatte sich Talmann mit Ehren aus einer Angelegenheit gezogen, die schwierig hätte werden können.
    Fest entschlossen war er gewesen, keine Gedanken mehr an die Dame Maurocordato zu verschwenden, als in seinem Wiener Bekanntenkreis die aus dem Nichts emporgetauchte Nichte Andlaws erwähnt worden war. Den Baron hochverräterischer Beziehungen zum Fürsten Rakoczy zu verdächtigen, war Talmann nicht eingefallen, und was die Nichte seiner Aufmerksamkeit empfohlen hatte, war lediglich ihr Mangel an einer sichtbaren Vergangenheit gewesen. Um Talmanns Besuch wäre dessen Jugendfreund ohnehin nicht gekommen, die Nichte hatte ihn nur beschleunigt. Könnte es die Dame mit dem großen griechischen Namen nicht nach Wien gezogen haben? hatte er sich gefragt. Wo seien dem Fürsten Rakoczy nützlichere Dienste zu erweisen, als in der Hauptstadt seines Erzfeindes? Gäbe es aber bei solchen Absichten einen besseren Schutz als den eines Onkels von Andlaws subalterner Ehrenhaftigkeit, die der Konvention nie etwas abschlage? Gewiß sei der weitbekannte Name Maurocordato auch nicht zu verachten. Er gebe vor allem die zureichende Erklärung für die Anwesenheit der Dame in Konstantinopel, die ihre Heimatstadt sei. Aber zugleich sei der Name auch so auffallend und leicht kontrollierbar, daß er jede Mission gefährde.
    Freilich war auch die Überwachung der Abendländerinnen im Osmanischen Reich nicht allzu schwer. Ihre Zahl war nicht groß. Nicht, daß sie in der Türkei nicht sicher und vielleicht sicherer gewesen wären als in manchem westlichen Land; aber das von Kirche und Staat eifrig geförderte Vorurteil, sich bei einer Reise in die Türkei in eine barbarische Welt zu begeben, war so abschreckend, daß kaum eine sich anders als im Schutze einer europäischen Gesandtschaft dazu entschließen konnte. Talmann war daher auch sehr geneigt, die ganze Angelegenheit der Stelle zu überlassen, wo sie dem Zustand eines vergessenen Aktes entgegenschlummerte. Seine Konferenzen genügten ihm vollkommen. Wien war Wien und Talmann durchaus

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